Braucht Deutschland eine Zucker-Fett-Steuer?

In den europäischen Ländern und auch in Deutschland wird immer lauter über die Einführung einer Fett- und Zuckersteuer nachgedacht. Einige Länder haben sie bereits eingeführt und teilweise auch schon wieder abgeschafft.

Die meisten besteuern dabei den Zuckergehalt in Softdrinks. Finnland, Dänemark, Ungarn und Mexico haben Erfahrungen mit Steuern auf Süßigkeiten, gesättigte Fette oder Fastfood. Lettland hingegen hat sich für einen anderen Weg entschieden. Sie verbieten die ungesunden Dickmacher an Schulen und Kindergärten gänzlich. Die Befürworter der Steuer versprechen sich dadurch, die Verfügbarkeit ungesunder Lebensmittel zu reduzieren und so Adipositas und deren Folgeerkrankungen, wie etwa Diabetes Typ 2 langfristig einzudämmen. Aber nicht jeder ist mit dieser Vorgehensweise einverstanden.

PRO
Dietrich Garlichs,Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft: Alkopop Getränke verschwanden praktisch vom Markt, als sie mit einer Steuer belegt wurden

Unsere Gesellschaft macht es dem Einzelnen extrem schwer, sich gesund zu ernähren. Fastfood und Snacks gibt es an jeder Ecke. Coca-Cola, Ferrero und McDonalds werben als Partner der Fußballnationalmannschaft und stellen ihre Produkte als gesund, sportlich und sexy dar. Das Ergebnis dieser „adipogenen“ Umwelt ist bekannt: Wir essen doppelt so viel Zucker, Fett und Salz, als uns guttäte. Alle Appelle an die Vernunft, sich gesünder zu ernähren, sind gescheitert.

Die Erfahrungen mit der Besteuerung von Zigaretten und Alkopops zeigen, dass eine Zucker-/Fett-/Salzsteuer helfen könnte. Durch deutliche Preissignale konnte der Anteil der Jugendlichen, der zur Zigarette greift, in den letzten zehn Jahren halbiert werden, und die Alkopops verschwanden praktisch vom Markt, als sie besteuert wurden. Die Einführung einer Softdrinksteuer in Mexiko hat den Absatz gezuckerter Getränke deutlich reduziert und den Absatz von Wasser erhöht. Aus anderen Ländern gibt es ähnliche Beispiele.

Dabei ist es wichtig, dass es um keine Steuererhöhung geht, sondern um eine Neugestaltung der Mehrwertsteuer. 0 % auf gesunde Lebensmittel, dafür aber den vollen Satz von 19 % auf verarbeitete Lebensmittel mit hohem Fett-/Zucker- oder Salzanteil. Am Ende soll keiner mehr Steuern zahlen müssen.

Diese Steuerumschichtung ist weder bevormundend noch sozial ungerecht. Die Verbraucher können weiterhin frei wählen, nur wird der Fokus auf die gesunden Lebensmittel gelenkt und die Lebensmittelindustrie erhält Anreize, ihre Produkte gesünder zu machen. Dabei profitieren insbesondere die sozial schwächeren Schichten, da sie überproportional häufig von chronischen Krankheiten betroffen sind.

Contra
Kordula Schulz-Asche: MdB,
Bündnis 90/Die Grünen, Sprecherin für Prävention und Gesundheits­wirtschaft, Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement: Wir müssen in langfristige Maßnahmen in Kitas, Schulen, Betrieben und Stadtteilen investieren

Wenn wir die Gesundheit der Menschen verbessern wollen, müssen wir nach Lösungen im Kern des Problems suchen – und nicht bei den Steuern.

Wir wissen, dass gesunde Ernährung, mehr Bewegung und eine gute Stressbewältigung dazu beitragen, lange gesund zu bleiben und bis ins hohe Alter mobil zu sein. Doch was sich so einfach anhört, ist im Alltag mit Zeitdruck und Hektik in der Schule, am Arbeitsplatz, bei der Kindererziehung oder dem intensiven Pflegen von Angehörigen oft schwer umsetzbar.

Unsere Umwelt ist unserer Gesundheit Schmied. Wenn wir die Gesundheit aller wirklich dauerhaft fördern wollen, müssen wir in langfristige Maßnahmen in der Kita, Schule, Betrieb und Stadtteil investieren, damit diese Orte ein gesundes Leben überhaupt ermöglichen können. Denn da sind die Menschen auch am stärksten verwurzelt – in der Stadt, der Kommune, dem Quartier.

Also sollten wir zuerst darauf setzen, durch verstärkten Fokus auf die Gesundheitsförderung, die Kompetenzen, das Selbstwertgefühl und die Selbstachtsamkeit der Menschen zu steigern und die aktive Teilhabe und Teilnahme an der Gestaltung der eigenen Umwelt zu ermöglichen. Wir brauchen langfristige Maßnahmen, die gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet und realisiert werden.

Die Gesundheitsförderung hat in der Politik seit Jahren nicht den Stellenwert, den sie verdient bzw. den es benötigen würde. Wäre dies anders, wären die Überlegungen für eine Zucker-Fett-Steuer gar nicht notwendig. Um auf Zuckerbomben und Dickmacher besser aufmerksam zu machen, wäre ein erster Schritt die Ampelkennzeichnung. Leider hat das bisher die Bundesregierung versäumt.

Quelle: aerzteblatt.de

Autor: Deutsches Ärzteblatt

Redaktion Ottostraße 12 · 50859 Köln Telefon: 0 22 34 70 11 - 1 20