Die Deutschen sind Weltmeister im künstlichen Sonnenbaden. Doch die wenigsten wissen, dass Solarien so stark sind wie die Mittagssonne am Äquator. Die Strahlen erzeugen Krebs, der kaum sichtbar wächst – und zehnmal häufiger ist als ein Melanom. Am größten ist die Gefahr für Menschen unter 30.
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Gesetzgeber. Seit Jahren diskutieren Umweltbehörden und Betreiber von Sonnenstudios, wie viele Anhänger der künstlichen Bräune Jugendliche sind – und damit besonders empfindlich auf UV-Strahlung reagieren. Nur drei Prozent der Nutzer seien minderjährig, beteuern die Solarienbetreiber. Von bis zu 25 Prozent geht dagegen das Bundesumweltministerium aus. Ein gesetzliches Verbot soll nun die Debatte beenden. „Kinder und Jugendliche haben auf Sonnenbänken nichts zu suchen“, sagt Umweltminister Sigmar Gabriel. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist Bestandteil des neuen Umweltgesetzbuchs, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.
„Junge Menschen sind besonders anfällig für die negativen Wirkungen der UV-Strahlung auf die empfindlichen Basalzellen“, erklärt Eckhard Breitbart von der Deutschen Krebshilfe. Bei Jugendlichen liegen jene Zellschichten, die die Hautproduktion steuern, noch näher an der Oberfläche als bei Erwachsenen und werden durch UV-Strahlung daher stärker geschädigt. Wer vor dem dreißigsten Lebensjahr regelmäßig Solarien nutze, erhöhe sein Hautkrebsrisiko um 75 Prozent, sagt der Dermatologe Breitbart, der dem Fachausschuss Früherkennung der Krebshilfe angehört.
Die Weltgesundheitsorganisation hat ermittelt, dass neun von zehn Hautkrebsfällen weltweit auf übermäßige UV-Strahlung zurückgehen. In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 140.000 Menschen an der inzwischen häufigsten Krebsart überhaupt. Für Fachleute besonders alarmierend: Die jährliche Steigerungsrate liegt bei sieben Prozent.
In den meisten Fällen handelt es sich zwar um die gutartige Variante, den sogenannten weißen Hautkrebs. Nur bei jedem sechsten Betroffenen wird das gefürchtete maligne Melanom, der sogenannte schwarze Hautkrebs, diagnostiziert. Doch wird die bösartige Tumorart, die früher fast ausschließlich Menschen über 50 Jahren betraf, heute laut Deutscher Krebshilfe mitunter schon bei 20-Jährigen festgestellt. Weitaus häufiger treten Erkrankungen auf, die als weißer Hautkrebs bekannt sind: das Basalzellkarzinom und das spinozelluläre Karzinom. Sie bilden selten Metastasen und sind früh erkannt heilbar.
Ultraviolette Strahlen schädigen die Erbsubstanz der Hautzellen. Die veränderten Zellen können die Grundlage für eine bösartige Entartung bilden. Fachleute sind sich daher einig: Ungefährliche oder gar gesunde UV-Strahlen gibt es nicht, ganz gleich, ob die Bräunung natürlich – von der Sonne – oder künstlich im Solarium hervorgerufen wird. Dennoch sind Sonnenbänke besonders hierzulande nach wie vor sehr beliebt. „Mit 14 Millionen Solariengängern sind die Deutschen Weltmeister im künstlichen Sonnenbaden“, erläutert der Hauptgeschäftsführer der Krebshilfe, Gerd Nettekoven. Vor allem für junge Mädchen gehört gebräunte Haut ebenso zum guten Aussehen wie eine schlanke Linie. Eine Umfrage des Münchner Instituts für Jugendforschung ergab, dass jedes fünfte Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren ins Sonnenstudio geht. Dabei unterschätzen viele die Risiken.
Die Stärke der natürlichen UV-Strahlung der Sonne, der sogenannte UV-Index, wird auf einer Skala von null bis zwölf gemessen. Der Höchstwert entspricht der maximalen Strahlung, die überhaupt auf der Erde gemessen werden kann: mittags um zwölf Uhr am Äquator bei wolkenlosem Himmel. Bei einem Indexwert zwischen fünf und acht empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation bereits, Kopf und Körper zu bedecken. Bei höheren Werten soll gar der Aufenthalt im Freien vermieden werden. „Auf der Sonnenbank ist die schwächste Strahlung genauso stark wie die Mittagssonne am Äquator, entspricht also einem UV-Index von zwölf“, sagt Breitbart. Bei älteren Bräunungsgeräten liege der Wert sogar zwischen zwölf und 36, also im Extremfall dreimal so hoch wie die maximale solare Einstrahlung.
Wissenschaftler unterteilen UV-Strahlen nach ihrer Wellenlänge in drei Kategorien: UV-A, UV-B und UV-C. Bräunungsgeräte arbeiten entweder nur mit der langwelligen UV-A-Strahlung, oder sie setzen sowohl UV-A als auch UV-B ein. „Wir wissen heute, dass sowohl UV-A- als auch UV-B-Strahlung das Risiko für alle Hautkrebsarten erhöht, somit auch für den gefährlichen schwarzen Hautkrebs“, sagt Breitbart. Haut vergisst nicht: Die Schäden durch UV-Strahlen in der Jugend erhöhen das Risiko von Hautkrebs im Erwachsenenalter.
Eine gesetzliche Altersbeschränkung für die Nutzung von Solarien befürwortet auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). „Bis zum 18. Lebensjahr bekommt ein Mensch allein durch die natürliche Sonnenstrahlung 80 Prozent der UV-Strahlung des gesamten Lebens ab“, sagt BfS-Präsident Wolfram König. „Deshalb hat der Schutz von Kindern und Jugendlichen Vorrang.“ Bei älteren Nutzern müsse eine fachgerechte Beratung sichergestellt werden. So soll vor der Besonnung der Hauttyp ermittelt und ein individueller Dosierungsplan erstellt werden. In einer freiwilligen Selbstverpflichtung erklärte sich die Branche schon 2003 bereit, diese Standards einzuhalten.
Das Problem: Die wenigsten Betreiber halten sich daran. Eine Studie der Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention brachte 2008 alarmierende Ergebnisse: In zwei von drei Solarien wurde nicht über Gesundheitsrisiken aufgeklärt und in jedem zweiten Betrieb erfolgte weder ein Hinweis auf Schutzbrillen noch eine Beratung zum Hauttyp.
Die Geräte werden von niemanden kontrolliert
„Derzeit darf jeder, der einen Gewerbeschein vorweisen kann, ein Sonnenstudio betreiben“, meint König lapidar. De facto werde nicht kontrolliert, ob die Geräte richtig justiert sind, oder ob das Personal die Nutzer berät. Um Qualitätsstandards zu gewährleisten, setzte die Umweltbehörde zunächst auf die Eigeninitiative der Solarienbranche. Gemeinsam mit der Industrie rief das BfS die Initiative „Geprüftes Sonnenstudio“ und das gleichnamige Gütesiegel ins Leben. Das Siegel soll Sonnenstudios mit hohen Qualitätsstandards kennzeichnen und Nutzern helfen, vertrauenswürdige von unseriösen Anbietern zu unterscheiden.
Das Resultat ist jedoch enttäuschend. „Aller Zusagen der Betreiber zum Trotz haben sich gerade einmal 800 von mehreren Tausend Solarien dem Zertifizierungsprogramm angeschlossen“, weiß König. Nach Angaben des Fachverbands Sonnenlicht-Systeme gibt es bundesweit etwa 5000 Sonnenstudios. Mit Geräten in Fitnesscentern, Kosmetikstudios oder Schwimmbädern schätzt der Verband die Zahl der Sonnenbänke auf rund 60000.
Wer nicht auf die Sonnenbank verzichten will, sollte auf Qualitätsstandards achten. Eine Garantie bietet das Siegel „Geprüftes Sonnenstudio“. Ein Betrieb, der es führt, ist nach den Kriterien des Bundesamts für Strahlenschutz zertifiziert. Die Betreiber verpflichten sich zu besonderen Anstrengungen beim Schutz vor UV-Strahlung: Sie begrenzen die Bestrahlungsstärke der Sonnenbänke und stellen sicher, dass die Nutzer vorab fachgerecht beraten werden. Jugendlichen untersagen sie den Zutritt. Auch Hygienevorschriften sind Bestandteil des Zertifizierungsprogramms „Geprüftes Sonnenstudio“.
Seriöse Solarien erkennt man aber auch an ihrem Personal: Der Studiomitarbeiter in einem hochwertigen Solarium weist auf Risiken der Strahlen hin. Er fragt nach der letzten Besonnung und der Einnahme von Medikamenten. Antibiotika etwa können mit UV-Licht fotoallergische Reaktionen auslösen. Er bestimmt den Hauttyp, erstellt einen Dosierungsplan und händigt eine Schutzbrille aus. Weibliche Nutzer werden aufgefordert, sich vor der Bestrahlung abzuschminken. Die Geräte tragen Warnhinweise, dass UV-Strahlung Augen und Haut beschädigen können. Außerdem informieren Aushänge über die zulässige Maximaldauer der Erstbesonnung und über die Bestrahlungszeiten für die verschiedenen Hauttypen.
Quelle: Welt Online