Vergessene Medikamenteneinnahmen gehören künftig der Vergangenheit an: Elektroniker entwickeln die erste Funk-Pille, die ihre Einnahme per Signal meldet. Damit würden die jährlichen Kosten von bis zu 20 Milliarden Euro, die auf Grund schlampiger Medikamentenhandhabung in Deutschland entstehen, wegfallen.
An der University of Florida haben Elektronik- und Computerspezialisten die Lösung für ein scheinbar banales Problem gefunden – sie entwickelten eine Art Rucksack, eine angehängte Beigabe für Pillen und Tabletten. Diese Funkpillen bestätigen aus dem Darm des Patienten heraus per Funksignal die Einnahme des Medikaments.
Die weltweit verbreitete, klassische Dosierbox für die ganze Woche mit den Fächern „morgens“, „mittags“ und „abends“ als Hilfe für Patienten mit vielfältiger und komplizierter Medikation, hat sich in vielen Fällen als unbrauchbar erwiesen. Etwa bei Alzheimer-Patienten, die Wochentage durcheinander bringen oder nach dem Mittagsschlaf glauben, es sei schon ein neuer Tag.
Die Mini-Funksensoren versichern Ärzten und Patienten: Jede einzelne Arznei ist pünktlich an Ort und Stelle gelangt, sie wirkt. Oder anders, wenn es nicht gefunkt hat, dass es höchste Zeit wird, das Versäumte nachzuholen.
Krankenkassen und Gesundheitsbehörden halten fest, dass die Kosten für zur Unzeit oder überhaupt nicht eingenommene Medikamente enorme Größenordnungen erreichen. Den schmerzlichsten Schaden erleiden die Patienten selbst – die ausgesetzte Medikamenten-Therapie kann eine verlängerte Genesungszeit oder gar Schmerzen bedeuten.
Die Sache hat neben dem medizinischen allerdings auch einen finanziellen Aspekt. So geht die American Haart Association davon aus, dass in den USA ein Zehntel der stationären Aufnahmen in Krankenhäusern und über 200.000 Todesfälle pro Jahr mit nachlässiger Medikamenten-Einnahme zusammenhängen.
Nach einer Schätzung der Deutschen Gesellschaft für bürgerorientierte Gesundheitsversorgung (DGbG) verursacht schlampig gehandhabter Umgang mit verschriebenen Medikamenten jährliche Kosten von bis zu 20 Milliarden Euro in Deutschland. Auf alle europäische Gesundheitssysteme bezogen, liegen die vermeidbaren Folgekosten nach Angaben von Gesundheitsbehörden und Krankenkassen bei bis zu 300 Milliarden Euro pro Jahr.
Die funkende Pille gilt nicht nur in den USA als die vielversprechendste Methode zugunsten von Kostensenkung und medizinischem Erfolg. Das technische Prinzip der Tablette aus Florida ist einfach: Kommt die Pille mit Magensäure in Kontakt, schickt sie ein Signal nach draußen, an ein Überwachungsgerät.
Dazu nehmen die Pillen einen extrem kleinen Mikrochip Huckepack und eine Mini-Antenne aus verdaubarem Material – aus ungiftigen und gut verträglichen Silber-Nanopartikeln. Der Mikrochip ist in etwa so klein wie ein gedruckter i-Punkt und wird beim Stuhlgang wieder ausgeschieden.
Ein Primitiv-Chip – seine einzige Aufgabe ist es, ein kurzes Signal zu senden, sobald er im Darm mit Säure in Kontakt gekommen ist. Die Nachricht kommt allerdings nur dann an, wenn der Patient das Überwachungsgerät am Körper trägt.
Die Silber-Mini-Antenne hat nur eine Reichweite von rund zwei Metern. Das Empfangsgerät samt Verwaltungs- und Buchführungs-Software wird in Zukunft wohl in Armbanduhren oder Handys untergebracht werden. Die Kontroll-Mitteilung geht dann per automatisch erstellter SMS dem behandelnden Arzt, der Krankenschwester oder den Pflegepersonen zu.
Ein Prototyp der amerikanischen Funk-Pille hat bereits erste Verträglichkeitsprüfungen bestanden. Allerdings waren diese Tests auf Tiere und künstliche Verdauungstrakte beschränkt. Die klinische Erprobung als Voraussetzungen für die gesetzliche Markt-Zulassung steht noch aus.
In Großserie hergestellt, wird die Funkapparatur pro Pille etwa 60 bis 80 Cent kosten, schätzen die Entwickler. Und noch eine Einschränkung gibt es: Weil der winzige Mikrochip nicht ohne die erheblich größere Antenne funktioniert, ist die gefunkte Pillen-Quittung nur für feste Medikamente in Hülsen-, Zapfen-, Pillen- oder Tablettenform geeignet.
Unmittelbar in den Handel werden die Hightech-Medikamente nach der Zulasssung aber nicht kommen. Zunächst wird die Forschung bedient und bestückt, die sich bei klinischen Medikamentenstudien exakte Ergebnisse erhofft – mit zuverlässig dokumentierten Einnahme-Protokollen.
Besteht das Funk-Verfahren diesen Praxistest, wird es bei der Medikation älterer, chronisch oder auch psychisch kranker Patienten eingesetzt werden. Auch der in der Schweiz ansässige Hersteller Novartis, drittgrößter Pharmakonzern der Welt, arbeitet an einer Funk-Tablette.
Das Funktionsprinzip ist dasselbe – nur dass die Pille im Magen ihr Signal an ein Empfangsgerät schickt, das Patienten an der Schulter trägt. Dieses quittiert die Einnahme und Zeitpunkt.
Säumige Patienten soll das Gerät zudem mit Alarmtönen an ihre Pflichten erinnern. Allerdings ist Novartis noch nicht so weit gediehen mit der funkenden Pille wie die Konkurrenten von der University of Florida. Vom Schweizer Mini-Funkgerät zum Herunterschlucken gibt es nur ein paar allererste Prototypen.
Quelle: Welt Online