Verknüpfung von psychischen Erkrankungen mit Terrorismus schürt Vorurteile

Die häufige mediale Thematisierung des psychischen Zustandes von Attentätern könnte zu der Entwicklung von Vorurteilen gegenüber psychisch Erkrankten beitragen.
Davor warnen britische Psychiater um Simon Wessely vom Royal College for Psychiatrists. Im British Medical Journal veröffentlichten die Autoren ein Editorial und einen Audio-Podcast.

Während der politische Hintergrund für terroristische Attacken häufig erklärbar ist, bleibt der Prozess der individuellen Radikalisierung in vielen Fällen unklar. In der medialen und öffentlichen Betrachtung gibt es laut Wessely die Tendenz, die Taten der Attentäter als Er­gebnis einer psychischen Erkrankung zu betrachten. Die ist jedoch in der Regel eine fehlerhafte Vereinfachung, so der Psychiater.

Die persönlichen Motive für die Terrorakte seien häufig komplex und multifaktoriell. Be­son­ders Einzeltätern werde unterstellt, dass eine psychische Erkrankung zu ihrem Ver­hal­ten geführt habe. Tatsächlich finden sich bei einigen Einzeltätern psychische Erkran­kungen. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass im Umkehrschluss Störungen der Persönlichkeit und Psyche statistisch nicht mit der Ausübung von Terrorakten verbunden sind. Die Assoziation von Erkrankung und Verbrechen könnte zu einer Stigmatisierung Millionen psychisch Erkrankter beitragen, warnen sie.

Für die Berichterstattung empfehlen die Wissenschaftler, eine freiwillige Leitlinie für Jour­na­listen zu entwerfen, wie sie bereits für die Berichterstattung von Suiziden existiert. Eine zu starke Fokussierung auf Psyche und Persönlichkeit der Täter könnte Trittbrettfahrern als Vorbild dienen und psychische Erkrankungen ungerechtfertigt in den Vordergrund rücken, so die Arbeitsgruppe.

Quelle: aerzteblatt.de