Embryo-Vorauswahl in Großbritannien Eine britische Familie, unter deren Vorfahren es mehrere Brustkrebsfälle gab, will ihrem jüngsten Kind dieses Schicksal ersparen: Deshalb ließen die Eltern mehrere Embryonen im Reagenzglas erzeugen – und wählten aus. In den nächsten Tagen wird das Designer-Baby ohne Brustkrebs-Gen geboren werden. Von Ralf Borchard, ARD-Hörfunkstudio London
In Deutschland ist eine solche Vorauswahl von Embryonen verboten. In Großbritannien sind die Möglichkeiten vor kurzem sogar erweitert worden. Schon seit längerem ist es erlaubt, durch Präimplantationsdiagnostik die Vererbung schwerer Krankheiten wie Mukoviszidose auszuschließen. 2006 wurde die Erlaubnis auf bestimmte Krebsarten ausgeweitet.
Im konkreten Fall ist die Familie über mehrere Generationen hinweg durch Brustkrebs vorbelastet. Die Eltern ließen mehrere Embryonen im Reagenzglas erzeugen und auf das Brustkrebs-Gen untersuchen. Ein Embryo, das das Brustkrebs-Gen nicht in sich trägt, wurde erfolgreich in die Gebärmutter der Frau verpflanzt. Kommende Woche soll das Baby zur Welt kommen.
Ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, wissen die Eltern nicht. Ohne die genetische Vorauswahl läge die Gefahr, das ein Mädchen später selbst Brustkrebs bekommt oder ein Junge die Veranlagung seinerseits weitervererbt, bei 50 bis 85 Prozent.
Umstrittene Vorauswahl
Auch in Großbritannien ist Präimplantationsdiagnostik umstritten. Ethikverbände sagen, dies entwerte das Leben von Kranken und Behinderten. Rachel Hurst sitzt selbst im Rollstuhl und engagiert sich in einer Behindertenorganisation: “Wenn man es akzeptiert, Embryonen auf Krankheiten und Behinderungen hin zu untersuchen und sie zu vernichten, akzeptiert man, dass behinderte Menschen keine Menschen sind, dass ihr Leben von der Qualität her nicht lebenswert ist.“ Das sei Diskriminierung und Vorverurteilung in der extremsten Form, sagt Hurst.
Embryonen-Selektion nach Schönheitsgesichtspunkten?
Zudem befürchten Kritiker, die Vorauswahl von Embryonen könne zu so genannten Designer-Babys führen, bei denen etwa Augen- und Haarfarbe vorbestimmt würden.
Reproduktionsmediziner kontern, solcher Missbrauch werde ausgeschlossen. Es gehe auch nicht um Diskriminierung Kranker und Behinderter, sondern darum, die Möglichkeiten der Wissenschaft im Kampf gegen schwere Krankheiten zu nutzen. “Die Vorauswahl von Embryonen wird vor allem bei sehr schweren genetischen Defekten durchgeführt“, sagt Paul Serhal vom University College Hospital London. Er versichert: “Dies wird niemals für triviale Dinge wie die Vorauswahl von Augen- oder Haarfarbe angewandt werden. Für Serhal tritt die Medizin in eine neue Ära ein, in der sie Menschen, die Krebs-Gene in sich tragen, besser helfen kann.
Quelle: Tagesschau.de