Ernährungsexperten empfehlen ein bis zwei Mal Fisch pro Woche. Fischliebhaber sollten sich jedoch vorsehen – vor allem Schwangere, Stillende und Kleinkinder.
Fisch ist gesund, das hat sich herumgesprochen. Er ist leicht verdaulich, Meeresfisch enthält zudem reichlich gesunde Fettsäuren. Doch die Fette verunsichern auch. Denn manch giftige Substanz wie Dioxin reichert sich im Fettgewebe an. Könnte im gesunden Fisch also auch eine Gefahr für die Gesundheit der Fisch-Gourmets verborgen sein? Diese Frage diskutieren Experten Ende November in einem Workshop der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
„Völlig ausschließen kann man Gesundheitsrisiken natürlich nie“, sagt Horst Karl, der am Max-Rubner-Institut (MRI) in Hamburg für Fischparasiten und Rückstände zuständig ist. Das MRI ist ein bundeseigenes Institut für Lebensmittelforschung.
Größtes Risiko ist die falsche Lagerung
Bei den Schuppentieren und Meeresfrüchten aber liegt das größte Problem heute nicht bei Umweltgiften wie Dioxinen oder den Krankheitserregern, wie sie im lebenden Tier vorhanden sind. Horst Karl denkt viel stärker an den Weg vom Einkaufswagen zum Esstisch. „Die falsche Lagerung macht uns die meisten Sorgen.“
Wie viele andere Lebensmittel sollte auch Fisch möglichst frisch auf den Tisch und nur kurz und möglichst kühl gelagert werden. Bei höheren Temperaturen und längerer Lagerzeit vermehren sich die Mikroorganismen. „Das gilt auch für Räucherfische.“ Für den sommerlichen Einkauf rät Karl: „Bei warmem Wetter sollte man den Fischkauf für das Ende der Shoppingtour einplanen und den Fisch danach rasch in den Kühlschrank legen.“ In der Zwischenzeit haben die Keime dann nur wenig Zeit, sich zu vermehren.
Abgesehen von Fehlern beim Lagern treten Erkrankungen nach Fischmahlzeiten weltweit am häufigsten durch das Gift Ciguatoxin auf. 10.000- bis 50.000-mal vergiften sich jedes Jahr Menschen damit. Fast ausschließlich passiert dies in warmen Regionen, weil das Gift von Einzellern mit dem wissenschaftlichen Namen Gambierdiscus produziert wird. Die leben auf Korallen.
Weiden Fische die Korallen ab, verschlingen sie die Einzeller mit und reichern das Ciguatoxin an. Erwischt ein Zackenbarsch, eine Stachelmakrele, ein Barrakuda oder ein anderer Raubfisch einen solchen Fisch, lagert er das Gift ebenfalls ein. Landet dieser Raubfisch dann auf dem Teller, wirkt das Nervengift auch auf den Menschen.
Barrakudas komplett von der Speisekarte verbannt
Da ein Fisch mit Ciguatoxin sich in Aussehen und Geschmack nicht von unbelasteten Tieren unterscheidet und Kochen, Einfrieren oder Marinieren das Gift nicht zerstört, haben Australien und Florida verdächtige Fische wie Barrakudas komplett von der Speisekarte verbannt. Da Ciguatoxin aber nur in warmen Meeren wie der Karibik und dem Pazifik vorkommt, aus denen kaum Speisefisch nach Europa exportiert wird, sind vor allem Menschen in den Tropen gefährdet – inklusive Touristen.
Erheblich einfacher lassen sich Probleme mit Parasiten und Bakterien lösen. Nematoden zum Beispiel sind kleine Fadenwürmer, die wie der Heringswurm oder der Kabeljauwurm in den Verdauungsorganen bestimmter Fische leben. Bei Menschen können diese Parasiten Entzündungen mit Durchfall und Bauchschmerzen verursachen. Ähnliche Symptome tauchen nach Infektionen mit Listerien auf. Das sind Bakterien, die fast überall in der Natur vorkommen und auf dem Weg zum Verbraucher auch in Fische gelangen können.
Horst Karl nennt daher eine ganze Reihe verbindlicher Vorschriften für Händler, Verarbeiter und Restaurants, die solche Risiken mindern. Händler müssen Fischfleisch zum Beispiel durchleuchten, um Nematoden zu entdecken. Sollten doch Parasiten durchkommen, greift – auch im Haushalt – zweierlei: Erhitzen über 60 Grad Celsius oder Tiefkühlen bei minus 18 Grad für mindestens zwölf Stunden. Das tötet Parasiten und Bakterien zuverlässig.
Wer seinen Fisch so gut erhitzt, dass auch im Inneren mehr als 60 Grad herrschen, sollte keine Probleme bekommen. Für roh verzehrten Fisch gilt eine Regel: „Für Sushi sollte man eine Woche vorher einkaufen und den Fisch bis kurz vor der dem Essen in das Gefrierfach legen“, rät Horst Karl. Dann haben Nematoden und Listerien keine Chance mehr.
Garnelen aus Aquakulturen besonders betroffen
Chemische Rückstände lassen sich leider nicht durch Kochen oder Gefrieren beseitigen. Besonders betroffen sind vor allem Aquakulturen, in denen Garnelen gezüchtet werden. Seit den 1970er-Jahren gibt es sie in vielen tropischen und subtropischen Meeren. Als die Nachfrage stieg, wurden immer mehr Garnelen in immer kleineren Becken gezüchtet. Dann breiten sich Infektionen oft explosionsartig aus.
Die Besitzer setzten daher Antibiotika und andere Tiermedikamente ein. Nach 2000 wurden in Garnelen aus diesen Ländern immer wieder Substanzen wie Chloramphenicol und Nitrofurane nachgewiesen, die das Knochenmark und Erbgut von Menschen schädigen können. „Daraufhin richtete die EU ein Schnellwarnsystem ein, das in nur zwei Stunden den Warenfluss stoppen kann“, erklärt Horst Karl.
Importverbote trafen die Züchter hart und zwangen sie, ihre Methoden zu verbessern. Seit 2005 werden daher bei den in die EU importierten Garnelen solche Rückstände nur noch selten entdeckt. Bei Zuchtlachsen gab es ohnehin weniger Rückstände, weil Länder wie Norwegen ihre Aquakulturen besser gestalten und weil das kalte Fjordwasser die Infektionsgefahr mindert. In der Natur gefangene Garnelen oder Lachse sind ohnehin nicht mit Antibiotika behandelt.
Dort könnten aber andere Rückstände wie Dioxine und weitere Chlorverbindungen auftauchen. Diese Substanzen entstehen zum Beispiel bei hohen Temperaturen in Müllverbrennungsanlagen, aber auch bei natürlichen Bränden. In Gewässern werden sie vom Plankton aufgenommen und dann in der Nahrungskette weitergereicht. Die Organismen werden Chlorverbindungen wie Dioxine nur langsam wieder los, daher reichern sie sich immer stärker an, in den Speisefischen erreichen sie oft die höchsten Konzentrationen.
Da Dioxine sehr giftig sind, wurden die stärksten Quellen inzwischen aber in weiten Teilen der Welt gestopft. „Daher sinken auch die Konzentrationen von Dioxinen in Fischen“, berichtet Olaf Päpke vom Analytiklabor Eurofins in Hamburg. Das Unternehmen ist auf den Nachweis von Dioxinen und anderen giftigen Chlorverbindungen spezialisiert.
Beruhigendes Ergebnis für Fisch-Gourmets
Der Grenzwert für Dioxine und ähnliche Substanzen liegt in der EU bei acht Pikogramm (acht Billionstel Gramm oder acht Milliardstel Milligramm) in einem Gramm Fischmuskelfleisch. „In Fischen aus dem Nordatlantik messen wir dagegen nur 0,3 bis 0,4 Pikogramm Dioxine“, nennt Olaf Päpke ein für Fisch-Gourmets beruhigendes Ergebnis. Allerdings liegen die Werte in Gebieten, in denen früher besonders viele Dioxine in die Umwelt gelangten, auch heute noch deutlich höher.
So entstanden beim Bleichen von Papier große Mengen dieser Gifte. Daher trugen die Abwässer der vielen Papierfabriken früher große Dioxinmengen in die Flüsse, die in die östliche Ostsee münden.
Da diese Gifte sehr langlebig sind und das Wasser dort kaum ausgetauscht wird, liegt der Dioxingehalt in den Fischen der östlichen Ostsee auch heute noch weit höher, obwohl die Papierherstellung längst umgestellt ist. „Drei bis fünf Pikogramm messen wir dort in einem Gramm Fischfleisch“, sagt Päpke. Deutlich höher sind die Werte in Fischen aus der Nähe der Flugplätze, auf denen während des Vietnamkriegs die dioxinhaltige Chemikalie Agent Orange umgeladen wurde. „Dort haben wir bis zu 140 Pikogramm Dioxine in Fischmuskelfleisch gemessen“, erläutert Päpke.
Da sich Dioxine und andere organische Chlorverbindungen vor allem im Fett anreichern, sind die Konzentrationen in stark fetthaltigen Fischen wie Hering höher. Der Europäische Aal mit rund 30 Prozent Fett überschreitet die Grenzwerte oft. Aale aus Aquakulturen indes werden mit dioxinarmem Futter ernährt und enthalten viel weniger Gift.
Eine vorsichtige Entwarnung gibt Olaf Päpke auch für Schwermetalle: „Seit deren Emissionen deutlich verringert wurden, machen auch Quecksilber und Blei in Fischen kaum noch Probleme.“ Nicht zuletzt beruhigen die Experten, was Radioaktivität nach der Kernschmelze von Fukushima betrifft. Die eingetragenen strahlenden Stoffe werden im Meerwasser extrem verdünnt, wenn die Strömungen sie weitertragen.
Für den vor der Küste Sibiriens gefangenen Alaska-Seelachs und die daraus hergestellten Fischstäbchen besteht daher kein Grund zur Sorge. Diese Regionen sind weit weg von der Reaktorkatastrophe.
Quelle: WeltN24