Der spätere Diktator Roms soll aus dem Körper seiner Mutter herausgeschnitten worden sein. Das gab dem Kaiserschnitt den Namen. Zu Unrecht.
Es passt ja eigentlich alles bestens. Plinius der Ältere (23-79), einer der klügsten Köpfe der Antike, schrieb in seinem berühmten Werk „Naturalis Historiae“: Roms großer Herrscher habe deshalb Caesar geheißen, weil er aus dem Mutterleib geschnitten worden sei. Das lateinische Wort „caedere“ bedeutet aufschneiden oder herausschneiden. Da sich aus „Caesar“ später der Begriff Kaiser ableitete, wurde auch aus „sectio caesarea“, dem cäsarischen Schnitt, der Kaiserschnitt.
So gilt heute der bekannteste Feldherr, Staatsmann und Autor Roms landläufig auch noch als – wenn auch passiver – Teilnehmer an einer medizinischen Pioniertat, die in unseren Tagen als Routineeingriff schwierige Geburten erleichtert. Immer wieder haben Miniaturen in Biografien Caesars, mit denen seine Geburt illustriert wurde, diese Lesart wachgehalten. Und jede auf diese Weise Entbindende kann ihren Nachwuchs ein wenig in der Tradition Caesars (100-44 v. Chr.) sehen, dessen Texte zu den Klassikern des Lateinunterrichts zählen („Gallia est omnis divisa in partes tres“ – et cetera).
An der schönen Geschichte ist allerdings nichts dran, allenfalls stimmt es, dass sich der Begriff Kaiser aus „Caesar“ ableitete. Als Pionier indes hätte sich weder Caesar noch seine Mutter feiern lassen dürfen. Die Schnittgeburt war zu ihren Zeiten in Rom nicht nur gängig, sondern seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert, ein knappes halbes Jahrtausend vor ihnen schon, sogar gesetzlich geregelt, im römischen Gesetzbuch unter XI.8.2 zu finden.
Dort war die Verpflichtung festgeschrieben, aus einer im Sterben liegenden oder gerade gestorbenen Schwangeren das Kind herauszuschneiden, um es zu retten oder wenigstens getrennt beerdigen zu können. Der Feldherr Scipio „Africanus“ war genauso durch einen Schnitt entbunden worden wie andere bekannte römische Köpfe.
Kein Arzt allerdings hätte zur Zeitenwende an einer gesunden Schwangeren den Kaiserschnitt ausgeführt. Er hätte unter den damaligen medizinischen Voraussetzungen den sicheren Tod der Mutter bedeutet.
Der erste erfolgreiche Schnitt , den eine Mutter überlebte, ist aus dem schweizerischen Siegershausen im Jahre 1500 überliefert. Die Frau soll, wie es heißt, noch weitere fünf Kinder auf natürlichem Weg zur Welt gebracht haben, angeblich bereits im folgenden Jahr ein Zwillingspaar. Der Arzt war auch in diesem Fall davon ausgegangen, dass die Mutter keine Überlebenschance hatte. Ansonsten wäre der Eingriff – wie in den meisten Ländern damals – verboten gewesen.
Die Wissenschaft bestreitet indes nicht nur, dass Caesar der Erste gewesen sei. Es gilt auch als ausgeschlossen, dass seine Geburtshelfer überhaupt zum Messer gegriffen haben. Dies vor allem deshalb, weil Caesars Mutter unumstritten nach seiner Geburt noch mehr als 50 Jahre lebte, was nach allen Erkenntnissen der Medizinhistoriker in jener Zeit nach einem Kaiserschnitt unmöglich gewesen wäre.
Caesars Wurzeln liegen im Punischen
Bleibt die Frage, woher Caesar – wenn es denn schon nicht sein „Schneid“ war – den Namen bekam, und warum infolgedessen Wilhelm II. und alle seine Amtskollegen den Titel „Kaiser“ trugen. Das lateinische „caedere“ mag übersetzt schneiden heißen, das Wort „Caesar“ aber gab es auch in – zumindest – einer anderen Sprache. Im Punischen, das die von den Römern unterworfenen Karthager sprachen, heißt es Elefant.
Das Wort war zu Caesars Zeiten in Rom bereits unbekannt, doch Linguisten gehen davon aus, dass unter den Vorfahren des Herrschers Elefantenjäger waren, von denen einer den Beinamen erhielt und an die Folgegenerationen weitergab. Bestätigt wird die These dadurch, dass Caesars Wappentier ein Elefant ist, der sich auch auf Münzen wiederfindet, auf deren Vorderseite das Gesicht des Imperators geprägt ist. Obendrein ist die Endung „ar“ bei lateinischen Namen unbekannt. Auch dies ist ein Hinweis auf einen Ursprung außerhalb des römischen Sprachgebrauchs – und unabhängig vom „Kaiserschnitt“.
Quelle: Welt Online