Was taugt die neue „Super-Milch“ von Coca-Cola?

Laktosefrei, weniger Zucker, mehr Calcium: Ist „Fairlife“, die neue Milch von Coca-Cola, wirklich gesünder, bekömmlicher und damit besser als herkömmliche Milch? Falsch, sagen Ernährungsexperten.

Ab Dezember wird sie in amerikanischen Supermärkten stehen, die neue Milch von Coca-Cola. Fairlife ist laktosefrei und enthält 30 Prozent mehr Calcium und 50 Prozent weniger Zucker als natürliche Milch.

Sie soll gesundheitsbewusste Amerikaner dazu animieren, wieder Milch zu trinken und zu kaufen. Denn in den vergangenen zehn Jahren ging der Absatz von Milch und Milchprodukten dort um acht Prozent zurück.

Dabei hatte Milch lange Zeit ein wirklich gutes Image – auch hierzulande. „Milch macht schön und Milch macht fit, wer Milch trinkt, kommt im Leben mit“, sangen adrett gekleidete Damen und Herren in einem Nesquik-Werbespot der 60er-Jahre. Milch galt als gesundes Naturprodukt, das mit Calcium Knochen und Zähne stark macht, Proteine, Jod und Vitamine liefert, und lecker schmeckt.

Unverträglichkeit scheint in Mode gekommen zu sein

Doch irgendwann häuften sich die Fälle von Menschen, die mit Verdauungsproblemen zum Arzt gingen. Schließlich fanden Forscher die Ursache: Die Menschen litten an Laktoseintoleranz. Da diese Unverträglichkeit geradezu in Mode zu kommen schien, gab es auch immer mehr Gerüchte darüber, wie schädlich die Milch doch sei.

Zivilisationskrankheiten wie Osteoporose, Diabetes und auch Krebs, hieß es, würden durch zu viel Milchkonsum begünstigt. Sollte man Milch also gar nicht mehr trinken – oder wenn, dann nur in optimierter Form, wie Fairlife sie bietet?

Bernhard Watzl vom Max Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, würde Fairlife nicht kaufen. Milch sei gut so, wie sie ist, und wer sich gesund und abwechslungsreich ernähre, der brauche keine optimierten Lebensmittel.

Das „Milch-Bashing“, wie er es nennt, entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage. Es gebe überhaupt keine ernst zu nehmenden Argumente gegen den Verzehr von Milch.

Nichts Schlechtes an herkömmlicher Milch

Auch Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kann nichts Schlechtes an herkömmlicher Milch finden. Sie enthalte relativ wenige Kalorien – liefere aber viele wichtige Nährstoffe. Bis zu 50 Prozent des Tagesbedarfs an Calcium kommen aus 200 bis 250 Gramm Milch und Milchprodukten.

Sie sind auch für Jod die bedeutendste Quelle unter den Lebensmitteln und enthalten die Vitamine B2, B6 und B12. Zudem enthalten sie hochwertige Proteine. All das findet sich auch in anderen Lebensmitteln, aber selten in so konzentrierter Form.

Milchkonsum führe nicht zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so der Ernährungsforscher Watzl, sondern verringere eher das Risiko für Bluthochdruck und Diabetes. Auch gäbe es keinen Nachweis, dass ein hoher Milchkonsum die Krebsentstehung fördert – mit Ausnahme von Prostatakrebs, für den das Risiko mit einem sehr hohen Calciumkonsum steigt.

Vor Dickdarmkrebs könnte Milch wahrscheinlich sogar schützen: In Studien geht ein höherer Verzehr von Milch und Milchprodukten mit einem verringerten Dickdarmkrebsrisiko einher.

Laktose, der Milchzucker, ist in der frühen Kindheit beispielsweise wichtig für die Reifung des Gehirns und das Wachstum. In diesem Alter verträgt jedes Kind Milch – ob sie nun von einer Kuh, einer Ziege oder einem Schaf kommt. Auch für das Knochenwachstum von Kindern ist die Milch wichtig.

Einen Schutzeffekt für die Knochen gibt es nicht

Doch so gesund Milch in der frühen Kindheit ist – im Erwachsenenalter dient sie nicht der Krankheitsprävention: Den schützenden Effekt für die Knochen, welcher der Milch nachgesagt wird, gibt es nicht. Erwachsene, die regelmäßig Milch trinken, brechen sich genauso häufig die Knochen wie Milch-Abstinenzler – und haben genauso häufig Osteoporose.

Es gibt noch weitere Forschungsergebnisse, die eher gegen das Trinken von Milch sprechen: Milch ist eigentlich nicht für den Menschen gemacht. Zumindest nicht für Erwachsene.

Im Säuglings- und Kindesalter, wenn Muttermilch die Hauptnahrungsquelle ist, produziert der Körper das Enzym Laktase. Es spaltet den Zucker in der Milch, die Laktose, und bereitet ihn für die Verdauung vor. Mit sieben oder acht Jahren hört der Körper vieler Menschen jedoch auf, das Enzym zu produzieren.

Viele können Milchzucker nicht richtig verdauen

Gelangt dann Milchzucker in deren Dickdarm, wird er erst dort von Bakterien zersetzt. Blähungen, Übelkeit und Durchfall sind die Folge. Zwei Drittel aller Erwachsenen weltweit können den Milchzucker nicht verdauen. Nur ein Drittel können Milch also pur trinken, ohne Nebenwirkungen.

Ein klares Argument gegen die natürliche Milch? Ein wichtiger Vermarktungspunkt für die neue Milch von Coca-Cola? Nicht unbedingt. Denn wenn man den Worten von Bernhard Watzl glaubt, dann brachte der Milchkonsum dem Menschen einen evolutionären Vorteil.

Diejenigen, die keine Laktoseintoleranz aufweisen, haben fast alle Vorfahren aus Europa. In Mitteleuropa sind erstaunlicherweise nur 15 Prozent der Menschen von Laktoseintoleranz betroffen. Sprich: die Milchverträglichkeit hängt mit der Herkunft zusammen.

In Europa, erklärt Watzl, hätten die Menschen bereits vor rund 11.000 Jahren damit begonnen, Käse und Joghurt herzustellen. Dieser sei viel laktoseärmer als Milch und wurde deshalb gut vertragen. Die Milchprodukte waren haltbar und halfen den Menschen besonders im Winter über die Runden.

Milch brachte den Menschen wohl evolutionäre Vorteile

Das Erbgut der Menschen passte sich an diese Gegebenheiten an. Vor etwa 7000 Jahren entwickelte sich eine Genvariante, die dafür sorgte, dass auch im Erwachsenenalter das Enzym zur Aufspaltung von Milchzucker gebildet wurde.

Sie verbreitete sich zunehmend in Europa und sorgte dafür, dass auch heute noch die große Mehrheit der Menschen hierzulande Milch sehr gut vertragen. Das zeige, sagt Watzl, dass der Milchkonsum dem Menschen bedeutende evolutionäre Vorteile beschert haben müsse.

Und was bringt Fairlife von Coca-Cola? Für laktoseintolerante Menschen ist sie sicherlich geeignet – wobei diese meist auch Joghurt oder Käse gut vertragen, der wesentlich laktoseärmer ist.

Darüber hinaus bietet die „Super-Milch“ aber keine Vorteile gegenüber herkömmlicher Milch. Nur wenige nehmen so wenig Calcium zu sich, als dass sie die Extradosis in Fairlife unbedingt benötigen. Und das bisschen Zucker, das man in einem Glas Milch dann spart, wird wohl kaum die Zahl verändern, die die Waage am Ende eines Monats anzeigt.

Quelle: Welt Online