Bubble Tea

Blubberwasser mit Nebenwirkungen: Sind die Gelee-Perlen im Bubble Tea gefährlich?Verbraucherschutzministerin Aigner warnt, dass kleinere Kinder sich an den Kugeln verschlucken können. Die Behörden sollten sich jedoch eher um eine andere Eigenschaft des Modegetränks sorgen.

In Roald Dahls wunderbarem Roman „Sophiechen und der Riese“ kommt ein Getränk namens Blubberwasser vor. Es schmeckt süß, nach Vanille, Sahne und Himbeeren, und es enthält leicht zerplatzende Blasen, die nach unten sinken, statt nach oben zu steigen. Das vermeidet unanständige Rülpser, aber erlaubt dafür herrlich explosive Furzelbäume, wie der Gute Riese Sophiechen erklärt.

Vom Bubble Tea, dem seit einiger Zeit unverzichtbaren Accessoire Jugendlicher, ist die im Roman beschriebene Wirkung zwar nicht bekannt, aber sonst passt die Beschreibung gut: süßes Getränk mit Kugeln am Becherboden, die im Mund zerplatzen. Jetzt sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) darin ein Gesundheitsrisiko für Kleinkinder. Die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) fordert deshalb Warnhinweise auf den Bechern.

Was das BfR in Aigners Auftrag ermittelte, klingt dramatisch. Insbesondere bei Kindern bis zum Alter von vier Jahren bestehe die Gefahr, dass sie versehentlich Fremdkörper in die Lunge bekommen, teilt das Institut mit. Zudem sei bekannt, dass das in dieser Altersgruppe besonders leicht bei Fremdkörpern in Erdnussgröße passiere – wozu auch die etwa einen Zentimeter breiten Bubbles zählen. Auch das Saugen mit einem Strohhalm hat das BfR untersucht und kommt zu erschreckenden Ergebnissen: Durch den Unterdruck im Rachenraum könne der Kehlkopfdeckel angehoben werden, was die Luftröhre öffne, in die dann die Geleekugeln geraten könnten.

Auf Nachfrage präzisiert das BfR, dass die möglicherweise „irreversible Behinderung der Atemwege“ ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstelle. Zudem verweist das Institut auf den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der schon im Frühjahr vor Bubble Tea gewarnt hatte: Verschluckte Bubbles könnten in die Lunge geraten und dort Lungenentzündungen oder sogar einen Lungenkollaps auslösen. Dokumentierte Fälle liegen dem BfR gleichwohl nicht vor, auch gab es in der Charité, dem größten Klinikum in Deutschland, noch keine Kleinkinder, die nach Bubble-Tea-Konsum behandelt werden mussten. Auch aus Asien, wo der Blubbertee seit den Achtzigerjahren populär ist, werden keine Zwischenfälle vermeldet. Meist wird vor allem der hohe Zuckergehalt der Tees bemängelt sowie die enthaltenen Azofarbstoffe, die in dem Verdacht stehen, Aufmerksamkeitsstörungen auszulösen.

Vor dem Straßenverkauf der Kette Boboq in der Münchner Innenstadt, mit 86 Geschäften deutscher Marktführer und in knalligem Grün und Orange eingerichtet, stehen zwei Erwachsene. Kleinkinder sind nicht in Sicht, aber es ist auch schon abends. Die Wahl fällt auf Mango Green Tea mit Passionsfrucht-Popping, was einen komplexen Vorgang auslöst: Der Tee wird in verschiedenen Maschinen gedreht, gewendet und geschüttelt. Ein kleiner Becher soll es sein, wobei auch das eine Sache der Definition ist. Bei Boboq ist das fast ein halber Liter. Ist Bubble Tea jetzt wirklich so gefährlich? Die Verkäuferin lacht höflich-ratlos, und überreicht das orange-gelbe Gebräu.

Es schmeckt nach Gummibärchensaft, mit schwacher Teenote im Abgang, immer wieder flutschen sirupgefüllte Stärkekugeln durch den breiten Strohhalm, die man im Mund zerplatzen lassen kann. Man kann sich gut vorstellen, warum Stiftung Warentest bei einem Schnelltest kürzlich kaum natürliche Fruchtaromen gefunden hat. Die Tester haben in Halbliterbechern Bubble Tea – auch von Boboq – 50 bis 60 Gramm Zucker festgestellt, ähnlich viel wie bei Coca Cola.

Wird auch vor Erdnüssen gewarnt?

Die Grünen-Fraktion wollte daraufhin in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen, wie der steigende Bubble-Tea-Konsum (allein in den ersten vier Monaten des Jahres wurden 4,4 Millionen Euro damit umgesetzt) sich auf das Übergewicht in der Bevölkerung auswirkt. Ferner wurde angefragt, ob wegen der „verschluckbaren Kleinteile“ nicht Warnhinweise angebracht wären.

Laut Antwort vom 2. August hat das Verbraucherschutzministerium die betroffenen Wirtschaftsverbände nach der BfR-Stellungnahme tatsächlich bereits aufgefordert, solche Warnhinweise zu veranlassen. Damit sind die Grünen nicht zufrieden: Sie verlangen außerdem leicht zugängliche Informationen über den Kaloriengehalt der Tees. Weil Bubble Tea über die Theke und nicht verpackt verkauft wird, gelten bislang weniger strenge Kennzeichnungspflichten.

Boboq fühlt sich zu Unrecht angegriffen. Ohnehin laufen die Dinge für den Bubble-Tea-Anbieter derzeit nicht ganz wie erhofft, Ferien, das schlechte Wetter und die steigende Konkurrenz drücken auf den Umsatz. „Immer werden wir gezeigt, wenn es um Risiken von Bubble Tea geht“, beschwert sich Sprecher Huynh Tan, dabei gebe es doch den Warnhinweis auf den Menuflyern von Boboq: Der Tee sei nicht geeignet für Kinder unter fünf Jahren, da diese unter Umständen noch nicht in der Lage seien, die Toppings sicher durch den Strohhalm aufzusaugen. „Die Kleinkinderdiskussion überrascht uns etwas“, sagt Tan. „Ich weiß nicht, ob auf Erdnusspackungen so eine Warnung steht.“

Außerdem habe man den Lieferanten in Taiwan bereits gefragt, ob sich die viel kritisierten Azofarbstoffe in den Sirups durch Naturprodukte ersetzen lassen, aber das dauere eben seine Zeit – dann habe man auf deutsche Sirups umsteigen wollen, aber in diesen ebenfalls Azofarbstoffe gefunden.

Nicolaus Schwerk, Oberarzt an der Klinik für Kinder-Lungenheilkunde der medizinischen Hochschule Hannover, hält die Aufregung für etwas übertrieben. „Wer Kinder hat, weiß, dass er aufpassen muss“, sagt er. Und ja, die Kügelchen hätten eine ungünstige Größe, sodass Kinder sich daran verschlucken könnten. Aber dass sie in der Lunge bleiben und Entzündungen auslösen, kann er sich eher nicht vorstellen, jedoch sei das sehr spekulativ. Die Ärzte in Hannover haben eine Rundmail in Sachen Bubble Tea an die großen Kliniken verschickt. „Niemand hat je so ein Kind gesehen“, sagt Schwerk. Auch wissenschaftliche Publikationen gebe es nicht dazu.

Tatsächlich scheinen Kleinkinder nicht die Zielgruppe der Branche zu sein. Am Samstagnachmittag ist die Filiale des Boboq-Konkurrenten Meito am Münchner Marienplatz wie üblich voll, die Schlange geht bis auf die Straße. Eine Mutter mit zwei Jungs ist da, zehn Jahre alt mögen sie sein, sonst nur Jugendliche. Man muss sich zwischen zwei Bechergrößen, drei Temperaturen, drei Teesorten, 21 Sirup-Geschmacksrichtungen und 13 Glibberzeugsorten (feste Kügelchen aus Maniok, zerplatzende sirupgefüllte Kügelchen, diverse Geleewürfel) entscheiden. Macht 4914 Kombinationen. Der Laden ist in Bonbonfarben eingerichtet, Popmusik läuft. Auf dem Flachbildschirm hinter der Theke wackeln knapp behoste asiatische Schönheiten dazu engagiert mit dem Po. „Das schmeckt so geil“, sagt ein Junge beim Rausgehen zu seinem Freund.

Quelle: Süddeutsche.de