Mit Pillen lässt sich die Gedächtnisleistung nur kurzfristig steigern. Wer seinem Gehirn langfristig auf die Sprünge helfen möchte, hat bessere Möglichkeiten: Es kommt nur auf die Ernährung an.
Ein Mega-Gedächtnis, hohe Belastbarkeit und scharfe Konzentration, ja sogar mehr Intelligenz – mit solchen Versprechen bringen die Hersteller von sogenanntem Brainfood ihre Pillen und Kapseln unters Volk. „Weisheit kann man nicht mit Löffeln essen“, sagt Prof. Barbara Plecko, Präsidentin der Gesellschaft für Neuropädiatrie. Allerdings könne die richtige Ernährung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass der Gehirnstoffwechsel gut funktioniert.
Diese Überzeugung ist unter Medizinern, Verbraucherschützern und Ernährungsberatern unumstritten. Entsprechend bemühen sich Unternehmen und Bildungseinrichtungen, ihren Mitarbeitern und Schülern ein Bewusstsein für die Wirkung der Ernährung auf das Gehirn zu vermitteln. So hat zum Beispiel die Fachhochschule Kufstein (Österreich) jüngst ihren ersten Brain Food Day veranstaltet.
„Zwei bis drei Liter Wasser, ungesüßte Saftschorle oder Tee sollte man schon zu sich nehmen“, empfiehlt sie. Der Griff zum Glas ist spätestens angesagt, wenn sich erste Anzeichen für Flüssigkeitsmangel wie Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme und Müdigkeit bemerkbar machen.
Die wichtigste Grundregel von Sara Neubauer, Teamleiterin Gesunde Ernährung an der Fachhochschule, lautet: viel trinken. Die zugeführte Flüssigkeit sorgt dafür, dass Kopf und Körper ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden und gut durchblutet sind.
Mit Traubenzucker ist es nicht getan
Das Gehirn verbraucht mehr als ein Fünftel des täglichen Energiebedarfs. Zu den wichtigsten Energielieferanten zählen Kohlenhydrate. Mit dem rasch eingeworfenen Traubenzuckerwürfel oder -bonbon ist es allerdings nicht getan.
Im Gegenteil: „Traubenzuckerwürfel sollten auf jeden Fall außen vor bleiben: Sie geben einen Kick, der genau zwanzig Minuten wirkt, dann kommt ein Loch“, sagt Neubauer. Denselben Effekt haben Süßigkeiten.
Um längere Zeit konzentriert arbeiten zu können, ist stattdessen eine gleichmäßig hohe Energieversorgung wichtig. Sie wird durch komplexe, langkettige Kohlenhydrate gesichert. Der Körper zerlegt diese nach und nach in einzelne Bausteine, die so über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ins Gehirn gelangen.
„Vollkornbrot oder auch Haferflocken liefern viele komplexe Kohlenhydrate. Sie dürfen deshalb im Frühstück nicht fehlen“, rät Neubauer. Auch in Vollkornreis, Kartoffeln, Gemüse und Obst sind diese Mehrfachzucker enthalten.
Omega-3-Fettsäuren gut für die Nerven
Energielieferanten Nummer zwei sind Fette. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren bringen nicht nur Power, sie wirken sich auch günstig auf die Hüllen der Nervenzellen und auf ihr Zusammenspiel aus.
„Für die Gehirnfunktionen spielen beispielsweise Omega-3-Fettsäuren eine wichtige Rolle“, erklärt Angela Clausen, Ernährungsberaterin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Rapsöl oder Walnussöl, fettreicher Fisch, Nüsse und Trockenfrüchte sollten also regelmäßig auf dem Speiseplan stehen.“
Eiweiße sind vor allem für den Informationsfluss wichtig: Aminosäuren, die kleinsten Bausteine der Eiweiße, wirken direkt oder in umgewandelter Form als Botenstoffe. Diese sogenannten Neurotransmitter sorgen dafür, dass die Informationen zügig von einer Zelle zur nächsten fließen.
Gute Eiweißquellen sind neben Fisch und Meeresfrüchten mageres Fleisch und magere Milchprodukte, vor allem aber Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide und Nüsse. Auch Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sind an der Übertragung von Signalen beteiligt.
Komplexe Kohlenhydrate fördern die Konzentration
Komplexe, langkettige Kohlenhydrate, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Eiweiße vor allem pflanzlichen Ursprungs, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sind jedoch kein spezifisches Ernährungsprogramm fürs Gehirn. All diese Inhaltsstoffe sollten ohnehin Teil der täglichen Ernährung sein.
Wer sich Tag für Tag ausgewogen ernährt, wird durch den zusätzlichen Verzehr bestimmter Lebensmittel oder ihrer Inhaltsstoffe oder durch vorbeugende Einnahme keine Leistungssteigerung erzielen, erläutert Verbraucherschützerin Clausen.
„Das Gehirn ist kein Organ wie die Leber, das sich etwas auf Vorrat legen kann. Es ist ganz auf die Versorgung mit Nährstoffen aus dem Blut angewiesen“, bestätigt Neuropädiaterin Plecko. Daher ist die regelmäßige Nahrungsaufnahme in Form von fünf Mahlzeiten am Tag günstig.
Allerdings lässt sich durch die Wahl eines bestimmten Nahrungsmittels und durch den Verzehr zu einem bestimmten Zeitpunkt einiges steuern. „Ein Frühstück mit selbst gemischtem Müsli mit Haferlocken, Nüssen, mageren Milchprodukten und Obst oder auch ein Vollkornbrot mit Quark oder magerem Schinken, dazu Tomaten oder Paprika und ein Obstsaft – das ist eine prima Grundlage für einen anstrengenden Tag“, sagt Neubauer.
Nährstoff-Kick vor der Prüfung
Direkt vor der Prüfung kann man dem Gehirn laut Neubauer dann noch einmal einen Nährstoff-Kick geben: „Eiweiße und Vitalstoffe wirken kurzfristiger als komplexe Kohlenhydrate.“ Ein termingerechter Nachschub mit Hilfe von Joghurt und Obst oder eines Buttermilch-Smoothies mit Blaubeeren kann also nicht schaden.
„Eine ideale Zwischenmahlzeit bei Prüfungen oder in Stresssituationen ist eine Banane. Sie enthält viel Magnesium, und das ist ein Nervenstärker“, sagt Neubauer. Nebenbei sorgt die Frucht für gute Laune: Sie beinhaltet eine Aminosäure, die vom Gehirn in Serotonin umgewandelt wird – ein Stoff, der glücklich macht.
Für jede Zwischenmahlzeit gilt allerdings: Sie darf nicht zu groß sein, sonst belastet sie den Magen, und das Blut steht nicht mehr im Gehirn zur Verfügung.
Quelle: Welt Online