Designer-Babys – Als Retter geboren

Fall Javier in Spanien entfacht neue Debatte. Sie heißen Adam, Jamie, Jodie, und nun auch Javier. Mit ihrer Geburt haben sie ihren todkranken Geschwistern Hoffnung auf Heilung gegeben und damit eine ethische Diskussion ausgelöst. Denn sie wurden im Reagenzglas erzeugt und gezielt ausgesucht.

Als Javier Anfang der Woche von seinen überglücklichen Eltern der Welt präsentiert wurde, da guckte er nur fasziniert in das Blitzlichtgewichter. Dass es in erster Linie ihm galt, das war dem fünf Monate alten Javier sicherlich nicht klar. Was er in seinem kurzen Leben bereits geleistet hat, das wird er wohl erst in einigen Jahren richtig verstehen. Denn durch seine Geburt im Oktober hat Javier seinem siebenjährigen Bruder Andrés wohl das Leben gerettet.

Javier ist ein Rettungsgeschwister, auch „saviour sibling“ genannt. Aus seinem Nabelschnurblut haben die Ärzte in Sevilla Stammzellen gewonnen und seinem Bruder gespritzt. Andrés leidet seit seiner Geburt an einer genetisch bedingten Form der Thalassämie – die roten Blutkörperchen in seinem Körper werden nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Über kurz oder lang wäre der Junge daran gestorben – würde es Javier nicht geben.

Tabubruch oder Rettungsanker?

Seine Eltern legen großen Wert darauf, dass Javier nicht „designt“ worden sei, sondern lediglich ausgesucht. Dieser kleine Unterschied besteht für viele Kritiker nicht. Sie sehen in Javiers Geburt einen Tabubruch. Dabei ist Javier nur das erste Rettungsgeschwister in Spanien. Weltweit gibt es bereits mehrere hundert, gezeugt in Großbritannien, den USA, Israel, Belgien, Australien und derzeit wartet Schweden auf sein erstes Rettungsgeschwister.

Sie alle wurden künstlich erzeugt, das heißt Sperma und Eizellen stammen zu hundert Prozent von ihren Eltern. Einige Tage nach der Befruchtung werden die Embryos – in diesem Stadium meist Haufen aus acht Zellen – genau untersucht. Die Ärzte suchen nach Embryonen, die nicht die genetische Erkrankung in sich tragen wie sie bei dem Geschwisterkind vorkommt. Javier war ein solcher Zellhaufen und wurde anschließend seiner Mutter eingepflanzt, die ihn ganz normal zur Welt brachte. Aus seinem Nabelschnurblut haben die Ärzte dann die Stammzellen gewonnen und seinem Bruder gespritzt.

Soweit der Fall, der nun abermals die ethische Debatte hervorgerufen hat. Soll so etwas erlaubt sein oder ist das ethisch nicht vertretbar? Aus Sicht der betroffenen Eltern ist die Frage sicherlich klar zu beantworten. Sie sagen, dass sie sowieso noch ein Kind haben wollten und Javier deshalb nicht nur wegen seines Bruders auf der Welt ist. Und genau daran scheiden sich die Geister.

Kritik: Mensch wird zum Nutzwert

Vor allem die katholische Kirche empfindet die Methode als entwürdigend, weil der Mensch nur noch nach seinem Nutzwert beurteilt werde. Die Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack vom King’s College in London widerspricht dieser Ansicht. „Warum ist das problematischer, wenn der Mensch mit seinem Hirn und seinem Wissen auswählt, als wenn wir es der Natur überlassen? Wir nehmen der Natur doch schon immer Entscheidungen ab, sei es durch die Verwendung von Antibiotika oder weil wir ein Baby nach der Geburt in den Brutkasten legen etc. Da lassen wir die Natur ja auch nicht einfach walten, weil wir es besser wissen.“

Prainsack untersucht seit Jahren die ethischen Debatten in unterschiedlichen Kulturen und Ländern. Die Argumente mögen die gleichen sein, doch die Ergebnisse sind sehr verschieden. Für manche wie etwa in Großbritannien oder auch Israel überwiegt die Chance der Heilung gegenüber den ethischen Bedenken. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass die befruchteten Eizellen nur aufgrund ihrer Qualität ausgesucht werden. Sie selbst werden so natürlich belassen wie sie sind und in keinster Weise verändert oder „designt“.

Liberalere Gesetze in vielen Ländern

Seit dem ersten durch PID* geborenen Baby im Jahre 2000 ist die Gesetzgebung in vielen Ländern liberaler geworden. In diesen Ländern hat deswegen auch der „Tourismus“ von Eltern zugenommen, die vor ähnlichen Problemen stehen. „So viele Krankheiten sind das ja auch gar nicht, bei denen das gemacht werden kann. Und hier geht es um verzweifelte Eltern, die ein todkrankes Kind haben und nicht darum, das Geschlecht oder etwa die Augenfarbe auszuwählen“, sagt Prainsack.

Doch genau Letzteres hatte ein Mediziner aus New York vor ein paar Wochen angeboten und nun aber nach Kritik von allen Seiten wieder zurückgenommen. Denn möglich wäre es, etwa das Geschlecht eines Kindes durch die PID vorab zu bestimmen. Wie das mit äußerlichen Merkmalen ist, kann eher angezweifelt werden. Dennoch hat sich Jeff Steinberg mit seinem Angebot in die Schlagzeilen gebracht, aber Menschen wie Javiers und Andrés Eltern keinen guten Dienst damit erwiesen. Es ist eher Wasser auf die Mühlen derer, die befürchten, dass Wissenschaftler – sind sie einmal losgelassen – nur schwer in ihrem Forschungsdrang zu halten sind.

Andrés ist jedenfalls froh, dass die spanische Gesetzgebung in seinem Fall eine PID erlaubt hat. Sein Körper hat die Stammzellen seines Bruders Javier inzwischen nach Auskunft der Ärzte perfekt angenommen, und er wird wohl wieder gesund werden.

Quelle: heute.de online

*PID: Pimplantationsdiagnostik ist die Diagnostik bei der ein künstlich befruchteter Embryo vor dem Einpflanzen auf Erbkrankheiten und Chromosomenabweichungen untersucht wird. In Deutschland ist die PID derzeit nach dem § 8 ESchG (Embryonenschutzgesetz) verboten.