Glutamat als Hirnzellen- Killer in Verdacht

Es klingt wie in einem Horrorfilm: Jahrelang geht man ins China-Restaurant und später bekommt man Parkinson. Unvorstellbar? Nicht unbedingt.

An Parkinson, der Schüttellähmung, leiden fast 400.000 Menschen in Deutschland. Warum die Krankheit so viele Menschen packt, ist noch immer rätselhaft. Ist es eine Alterserscheinung oder die Folge „falscher“ Gene? Genau weiß das niemand. Doch der Geschmacksverstärker Glutamat, aber auch Eisen, Pestizide und Pökelsalze scheinen das Sterben der Hirnzellen fördern zu können.

Im menschlichen Körper funktioniert Glutamat als Hirnbotenstoff, der zwar unentbehrlich ist, aber in hoher Dosierung zum untergang der zellen führen kann. Passiert das in den Hirnregionen, die für die Bewegungssteuerung zuständig sind, kommt es zu Lähmungs- und Zittererscheinungen, die bei Parkinson-Patienten typisch sind. Zwar schützt sich das Gehirn vor Glutamatüberschuss, indem es auf Eigenproduktion setzt und kein Glutamat aus der Nahrung zu sich durchlässt. „Doch unter bestimmten Bedingungen wird diese Blut-Hirn-Schranke durchlässig“, warnt der US-amerikanische Neurochirurg Russell Blaylock. So könnten Infektionen und minimale Verletzungen an den Blutgefäßen dazu führen, dass Glutamat ins Hirn eindringt.

Erschwerend käme hinzu, sagt Blaylock, „dass der Glutamat-Druck von außen immer stärker wird“. Derzeit liegt der weltweite Verbrauch des umstrittenen Lebensmittelzusatzes bei 1,5Millionen Tonnen pro Jahr – obwohl er seine Wirkung auf die Geschmacksrezeptoren schon im Milligrammbereich entfaltet.

Blaylocks Theorie ist umstritten. Weniger strittig ist, dass Pestizide die Atmung in den Nervenzellen behindern und dadurch Parkinson fördern können. Wer im Beruf oder im Garten viel Kontakt mit traditionellen Schädlingsgiften hat, besitzt einer US-amerikanischen Studie zufolge ein um etwa 70 Prozent höheres Risiko, an Parkinson zu erkranken. Ob dies auch für die Pestizidreste in der Nahrung gilt, ist offen. Dänische Forscher entdeckten bei den Bewohnern der Faröer-Inseln, dass diejenigen, die das meiste belastete Walfleisch aßen, auch das höchste Parkinson-Risiko hatten. Allerdings enthalten Wale nicht nur Pestizide, sondern auch Quecksilber – und in ihrem Fett kulminieren die Gifte auf ganz anderem Niveau als etwa in Obst und Gemüse, das bei uns zu den ergiebigen Pestizidquellen zählt.

Dafür enthalten vegetarische Nahrungsmittel weniger Eisen, das Wissenschaftler als potenzielles Parkinson-Risiko einschätzen. Denn das blutbildende Metall fördert schädliche Oxidationen an den Nervenzellen. Eine Studie der University of Washington zeigte unlängst: Wer besonders hohe Eisenwerte in seinem Blut hat, verdoppelt damit sein Parkinson-Risiko. Studienleiterin Karen Powers warnt daher vor der unreflektierten Einnahme von eisenhaltigen Nahrungsergänzungen und Präparaten, Fleischkonsum hingegen sorge erst in sehr hohen Dosierungen für problematische Eisenwerte in den Nervenbahnen.

Fleisch wird eher durch seine Konservierung zum Problem

So enthalten etwa Schinken und Dauerwurst 50 Prozent mehr Nitritsalze als unverarbeitete Fleischwaren. Von diesen Pökelsalzen ist bekannt, dass sie im Körper zur Ausbildung von freien Radikalen, also aggressiven Sauerstoffverbindungen, führen, die das Nervensystem schädigen können. Suzanne de la Monte, Neuropathologin vom US-amerikanischen Rhode Island Hospital, entdeckte, dass die Zahl der durch Alzheimer und Parkinson ausgelösten Todesfälle in den letzten Jahrzehnten genauso angestiegen ist wie die Belastung durch nitrithaltige Speisen. „Der Verkauf von Fast Food und verarbeiteten Fleischprodukten stieg in den USA zwischen 1970 und 2005 um das Achtfache“, schreibt de la Monte. Das korreliere mit dem Anstieg der Zahl der Parkinson- und Alzheimer-Toten.

Purinreiche Kost hingegen ist keine Gefahr. Sie erhöht zwar den Harnsäurespiegel und das Risiko für Gicht, doch dafür verlangsamt sie, wie Forscher der Harvard Medical School in Boston herausfanden, das Fortschreiten von Parkinson. Der Grund: Harnsäuresalze wirken als Radikalfänger und können Hirnzellen vor Oxidationen schützen. Wer also Deftiges wie Hering, Innereien, Schwarte und Hülsenfrüchte mag, muss sich keine Sorgen darüber machen, später an Parkinson zu erkranken.

Noch weniger sorgen müssen sich Kaffee- und Teetrinker , denn die Gerbsäuren und das Koffein wirken wie ein Nervenbalsam und schützen dadurch vor Parkinson. Der Grüne Tee entfaltet diesen Effekt, wie man jetzt am Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin herausgefunden hat, auch dann noch, wenn sich im Hirn bereits erste Spuren der Erkrankung zeigen.

Demnach verwandelt sein Epigallocatechingallat die parkinsontypischen, giftigen Proteinablagerungen zu harmlosen Eiweißkugeln, die sich dann von den Zellen auflösen lassen. Eine Zerstörungstaktik, die bei den Molekularbiologen geradezu für Begeisterung sorgte. Denn sie bedeutet, dass Grüner Tee die Plaques nicht direkt attackiert, was zum Abspalten vieler kleiner und aggressiver Plaqueteile führen könnte. Sondern er verwandelt sie zu etwas, das der Körper selbst eliminiert. Eine Hilfe zur Selbsthilfe also, die das Nebenwirkungsrisiko auf ein Minimum reduziert.

Unter den Vitaminen schützen vor allem die Vitamine A, D und E vor Parkinson. Was sich daraus erklärt, dass im Gehirn viele ungesättigte Fettsäuren kursieren, die vor Oxidation geschützt werden müssen. An der Emory University in Atlanta läuft derzeit sogar eine klinische Pilotstudie, in der Parkinson-Patienten versuchsweise mit Vitamin D behandelt werden.

Dies sollte jedoch nicht zum freizügigen Verzehr von Vitaminpillen verführen. Forscher der University of Washington entlarvten Vitamin-A-Pillen sogar als Risikofaktor für Parkinson. Was wieder einmal zeigt, dass bei den Vitaminen die Dosis über ihre Wirkung entscheidet.

Quelle: Welt Online