Rund ums Zähneputzen existieren zu viele Mythen

Mancher Zahnarzt empfiehlt, die Zähne möglichst lange zu putzen. Der Bürstendruck sollte dem Gewicht einer Orange entsprechen. Alles Unsinn. Experten verraten, wie die Zähne am besten geputzt werden.

Fegen, rütteln, kreisen? Mit elektrischer oder konventioneller Bürste, mit langem oder kurzem Ausspülen danach? Wer glaubt, dass er zum Zähneputzen einheitliche und verlässliche Tipps von Zahnärzten und Fachverbänden bekommt, wird enttäuscht. Denn dort herrscht, wie jetzt englische Forscher ermittelt haben, keineswegs Einigkeit.

Dabei müsste langsam klar sein, wie Zähne am besten zu pflegen sind. Denn schon vor ein paar Tausend Jahren hatten die Menschen begriffen, dass man sein Gebiss regelmäßig reinigen sollte. So stocherte Steinzeit-Star Ötzi mit zugespitzten Holzstöcken im Mund herum, und durch geschicktes Fädeln mit Pflanzenfaserschnüren konnte er sogar die Zahnzwischenräume von festsitzenden Essensresten befreien. Im Ägypten des vierten vorchristlichen Jahrtausends wurde dann Zahnpasta entwickelt, eine Mischung aus Weinessig und Bims. Hauptsache, die Essensreste gingen raus, und der Mund verströmte keinen unangenehmen Geruch.

Seitdem ist viel Zeit vergangen, und man sollte eigentlich vermuten, dass man sich mittlerweile auf eine wissenschaftlich überprüfte Methode des Zähneputzens verständigt hat. Eine aktuelle englische Studie belegt jedoch das Gegenteil. Die Forscher haben in zehn verschiedenen Ländern analysiert, welche Zahnputztechnik von Fachorganisationen und zahnmedizinischen Lehrbüchern sowie von Herstellern von Zahnpflegeprodukten empfohlen wird.

Man fand fast so viele unterschiedliche Strategien wie Borsten auf der Zahnbürste, aber dafür nur wenige wissenschaftliche Belege für ihre Wirksamkeit. Und das sei, wie Studienleiter Aubrey Sheiham vom University College in London ausführt, für die öffentliche Zahngesundheit einfach nur “inakzeptabel”.

Lehrbücher und Experten sind uneinig

Als besonders irritierend empfindet der Epidemiologe und Zahnmediziner, “dass die Empfehlungen von zahnmedizinischen Fachverbänden manchmal dem widersprachen, was als beste Putzmethode in den Lehrbüchern geraten wurde”. Nicht selten stammten die Ratschläge aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, ohne dem aktuellen Wissensstand angeglichen worden zu sein. Und einige sind so kompliziert und aufwendig, dass sie der Anwender praktisch kaum umsetzen kann.

Dabei fehlten, so Sheiham, “die Beweise dafür, dass die komplizierten Techniken besser sind als einfaches, vorsichtiges Bürsten”. So sei beispielsweise keineswegs sicher, dass das kreisförmige Bürsten – es wird in knapp zwei Dritteln aller deutschen Haushalte angewandt – besser ist als das einfache horizontale Bewegen des Bürstenkopfs.

Sheiham empfiehlt daher, den Aufwand möglichst gering zu halten: drei Mal täglich bürsten, von Rot, dem Zahnfleisch, nach Weiß, zur Zahnoberfläche. Die Bürste sollte man im halben rechten Winkel halten, weil dadurch die Plaque optimal entfernt wird. “Um zu vermeiden, dass man zu hart aufdrückt”, so Sheiham, “hält man die Bürste besser wie einen Bleistift zwischen Zeige- und Mittelfinger und nicht in der Faust.” Das sei eine einfache Methode, um das Zahnfleisch zu schützen. Und alle Male sinnvoller als der in Deutschland oft zu hörende Tipp, wonach der Bürstendruck ungefähr dem Gewicht einer Orange entsprechen sollte. Denn wer weiß schon, wie viel eine Orange wiegt und wie man dieses Gewicht als Druck auf den Zähnen spürt?

Drei Mal zwei Minuten sind optimal

Eine Alternative zum Bleistiftgriff wären elektrische Zahnbürsten. Denn Zahnmediziner Stefan Klotz konnte in seiner Doktorarbeit für die Ludwig-Maximilians-Universität in München nachweisen, “dass bei Handzahnbürsten wesentlich höhere Kräfte auf das Zahnhart und -weichgewebe ausgeübt werden als bei den elektrischen Modellen”. Letztere reinigen also schonender und gründlicher. Aber sie sind natürlich auch teurer.

Nach dem Putzen reicht es, den Mund kurz auszuspülen, um die gelösten Plaque- und Essensreste endgültig zu beseitigen. Die optimale Dauer der gesamten Säuberungsprozedur liegt bei drei Mal täglich zwei Minuten. Peter Heasman von der Newcastle University in England fand nämlich heraus, dass längere Reinigungsprozeduren keineswegs mehr Zahnbelag entfernen. “Sie vergrößern allenfalls das Risiko für Verletzungen an Zahnfleisch und Zahnschmelz”, so Heasman.

Sein Zahnmediziner-Kollege Sheiham rät aber, nicht unmittelbar nach dem Genuss von Süßigkeiten oder Limonade die Zähne zu putzen. “Denn Bakterien produzieren schon nach zwei Minuten Säure in der Mundhöhle, die den Zahnschmelz aufweicht”, so der Zahnmediziner. “Wer dann schrubbt, setzt sein Gebiss zusätzlichen Erosionen aus.”

Nahrungsmittel können vor Karies schützen

Süßwaren und Softdrinks sollte man allerdings ohnehin meiden. Nicht nur, weil sie viel Zucker enthalten, sondern weil sie sich durch ihre klebrige Konsistenz auch leicht an Zähnen und in Zahnzwischenräumen festsetzen. So fördern sie das Wachstum von Kariesbakterien. Stattdessen sollte man lieber Nahrungsmittel wählen, die in den letzten Jahren ihren Zahnschutzeffekt unter Beweis gestellt haben.

So hindert der Shiitake-Pilz laut einer japanischen Studie die Kariesbakterien daran, sogenannte Glukane zu bilden, mit deren Hilfe die Mikroben besser am Zahnschmelz andocken können. In einer Studie des Forsyth-Instituts im amerikanischen Boston stellte sich hingegen der regelmäßige Käseverzehr als Kariesprophylaxe heraus. Denn das Milchprodukt stimuliert den Speichelfluss, sodass Essensreste schneller vom Gebiss fortgespült werden. Außerdem hemmt es die Arbeit der kariesauslösenden Bakterien und versorgt den Menschen mit Mineralien zur Stabilisierung des Zahnschmelzes. Die Wissenschaftler empfehlen daher, die Mahlzeiten so oft wie möglich mit einem Stück Käse abzuschließen.

Selbst Kakao ist karieshemmend, weil er ein Enzym hemmt, das die Kariesbakterien zur Zuckerverdauung brauchen. Wenn er allerdings zu süßer Milchschokolade verarbeitet wird, dominiert wieder der kariesfördernde Effekt durch den klebrigen Zucker.

Die Gerbstoffe von Grüntee und seinem halb fermentierten Verwandten, dem vor allem in Apotheken verkauften Oolongtee, hemmen ebenfalls die Verdauungsenzyme der Bakterien. Außerdem enthalten sie viel Fluor zur Stärkung des Zahnschmelzes. Beide Effekte kommen umso besser zur Entfaltung, je länger der Tee zieht und dabei seine Wirkstoffe ins Wasser abgeben kann – es sollten mindestens drei Minuten sein.

Quelle:Welt Online