Keine Diät, kein Sport, einfach Olivenöl oder Nüsse: Laut einer spanischen Studie soll das Diabetes-Risiko auf diese Weise in den Griff zu bekommen sein. Jetzt hat jemand nachgerechnet.
“Olivenöl verhindert Diabetes” – das klang Anfang des Jahres so einfach und war auch noch mit beeindruckenden Zahlen garniert: Das Risiko, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken, soll mit einer mediterranen Ernährung um 30 Prozent sinken, und das ohne Diät und Sport.
Hinter der Meldung steckt eine Untersuchung von 3541 älteren Spaniern mit hohem Risiko für Herzkrankheiten. Sie waren in drei Gruppen eingeteilt worden. Die eine hielt eine mediterrane Ernährung mit einem Liter extra-nativem Olivenöl pro Woche durch, die andere aß 210 Gramm Nüsse pro Woche und die dritte ernährte sich nicht anders als sonst. Vier Jahre später schauten die Forscher wieder nach ihnen. Zu diesem Zeitpunkt waren 8,8 Prozent der Teilnehmer in der dritten Gruppe an Diabetes erkrankt – aber nur 7,4 Prozent der Nuss-Esser und 6,9 Prozent der Olivenöl-Verwender.
In absoluten Prozentzahlen ausgedrückt: Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, war von 8,8 auf 6,9 Prozent gesunken – also um 1,9 Prozent. “Wie kommt man von 1,9 Prozent auf 30 Prozent?”, hat sich der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer gefragt. Gemeinsam mit dem Dortmunder Statistiker Walter Krämer und Thomas Bauer vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung jagt er seltsamen Statistiken und ihrer Interpretation nach. Das Trio kürt allmonatlich die “Unstatistik des Monats“.
Relative Zahlen statt absoluter
Seine Erklärung für die Jubelmeldung um die Mittelmeer-Kost: “Hier wurde ein immer wieder erfolgreicher Kommunikations-Trick angewendet.” Die Reduzierung des Risikos wurde in relativen Zahlen angegeben. Die Rechenweise: 1,9 Prozent, dividiert durch 8,8 Prozent. Das Ergebnis sind 21,3 Prozent. Die wiederum wurden noch um Angaben wie Alter und Geschlecht “bereinigt” und über Olivenöl und Nüsse “gemittelt”. Am Ende steht ein um 30 Prozent gesunkenes Risiko auf dem Papier.
“Relative Risiken sind große Zahlen und beeindruckend, absolute dagegen klein und wenig bemerkenswert”, weiß Gigerenzer. Die Angabe von 30 Prozent sei nicht einmal falsch, und mediterrane Kost bleibt auch gesund. “Es geht darum, wie diese Information kommuniziert wird”, so Gigerenzer. “Die Zahl bedeutet eben nicht, dass von je 100 Menschen, die mediterrane Kost essen, 30 weniger an Diabetes erkranken.” Studien hätten gezeigt, dass die Angabe einer relativen Risiko-Reduktion viele Menschen in die Irre führe, weil sie gern mit absoluten Werten verwechselt würden. “Selbst Ärzte verstehen den Unterschied nicht immer.” Doch eine Reduktion von 1,9 Prozentpunkten käme wohl kaum in die Schlagzeilen.
An der Studie gibt es für Gigerenzer – neben den Zahlenspielereien – einen weiteren interessanten Aspekt: Die angegebene Reduktion eines Diabetes-Risikos um 30 Prozent ist der ungefähre Mittelwert aus der in der Tat bemerkenswerten Reduktion um 40 Prozent bei der Olivenöl-Verwendern und der nicht so bedeutsamen Reduktion um 18 Prozent bei den Nuss-Essern. Im Originalartikel zur Studie könnte für Gigerenzer der Anschein erweckt werden, dass Nüsse genauso gut wie Olivenöl gewirkt hätten. “Könnte diese Großzügigkeit damit zusammenhängen, dass einige der Autoren von der Nuss-Industrie finanzielle Zuwendungen erhielten, die auch die Nüsse für die Studie gespendet hat?”, fragt sich der Psychologe.
Quelle:Welt Online