US-Ärzte behandeln zehn Patienten gleichzeitig

In den USA praktizieren zahlreiche Hausärzte ein völlig neues Modell einer gruppendynamischen Behandlung – mit überraschenden Erfolgen für die Patienten.

Zehn Patienten bei einem Termin behandeln – das war bislang der Psychotherapie vorbehalten. Inzwischen ist das Verfahren der Gruppensitzung bei Pilotstudien in den USA auch mit Patienten erfolgreich durchgeführt worden, die an chronischen Krankheiten wie Diabetes, hohem Blutdruck oder Morbus Parkinson leiden.

“Das ist ein ganz neuer Weg der Gesundheitsfürsorge”, erklärt Ray Dorsay, Leiter einer experimentellen Studie mit Parkinson-Patienten am medizinischen Zentrum der Rochester-Universität im Staat New York. Sowohl Arzt als auch Patient zögen Nutzen aus der medizinischen Gruppentherapie. Das hat sich in weiteren Studien bestätigt.

Patienten profitieren in vielen Bereichen

Ärzte können bei einer Gruppenbehandlung mehr Patienten versorgen und durch die Interaktion der Betroffenen zu neuen Erkenntnissen über deren Gesundheitszustand gelangen. Der Vorteil für die Erkrankten: Sie haben die Möglichkeit, mehr Fragen zu für sie wichtigen Aspekten zu stellen, können lernen, wie sie ihre Krankheit besser in den Griff bekommen, und erhalten Tipps von Patienten mit ähnlichem oder gleichem Krankheitsbild.

Für viele sind die Gemeinschafts-Check-ups eine wichtige Hilfe, souveräner mit ihrer Krankheit umzugehen, so das Resümee von Hausarzt George Whiddon aus Florida, der erste Erfahrungen mit der neuen Behandlungsmethode gesammelt hat. “Manche Patienten beherzigen wichtige Ratschläge zum Umgang mit der Krankheit im Alltag sogar eher, wenn sie von Leidensgenossen und nicht vom Arzt kommen.”

Laut einer Umfrage unter amerikanischen Hausärzten praktizieren bereits zahlreiche Mediziner diese neue Art der Patientenuntersuchung. Waren es im Jahr 2005 noch weniger als sechs Prozent, hat sich die Zahl, bezogen auf das Jahr 2009, bereits auf zehn Prozent gesteigert.

Kein Ersatz für die jährliche Kontrolluntersuchung

Gruppentermine ersetzen jedoch nicht die jährlich anstehende Kontrolluntersuchung. Sie bilden ein ergänzendes Angebot für chronisch Kranke, die etwa alle drei Monate zur Nachuntersuchung erscheinen sollten.

Und die bisherigen Erfolge können sich sehen lassen: Eine Studie aus Italien aus dem vergangenen Jahr belegt, dass Diabetiker, die am Gruppentermin teilnahmen, ihren Blutdruck sowie Blutzucker- und Cholesterinspiegel stärker verbessern konnten als Patienten, die die reguläre Einzelsprechstunde besuchten.

Weitere Studien aus North Carolina und Virginia kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Patienten mit Diabetes und hohem Blutdruck, die gemeinschaftlich behandelt wurden, insbesondere solche, die große Probleme hatten, mit ihrer Krankheit umzugehen, verbesserten ihre Selbstkontrolle und damit die Messwerte und mussten seltener Notfallhilfe in Anspruch nehmen.

Allerdings fanden sich zwischen Patienten in Einzel- und Gruppenbetreuung keinerlei Unterschiede im Hinblick auf einen besseren Verlauf der Krankheit. Beide Behandlungsmethoden, so haben Langzeitstudien gezeigt, führen zu vergleichbaren Ergebnissen. Das spricht dafür, dass die Einzelfall- und die Gruppentherapie einander ergänzen.

Es bedarf also noch weiterer umfangreicher Forschungen, um genauer bestimmen zu können, welche Patienten auf eine Individual- und welche auf eine Gruppenbehandlung positiver ansprechen.

Quelle: Welt Online