Milch, Obst, Getreide, Nüsse: Immer mehr Menschen vertragen bestimmte Lebensmittel nicht. Ganz darauf verzichten müssen aber nur die wenigsten. Oft ist das richtige Maß entscheidend.
Der Tisch ist gedeckt, die Freunde eingetroffen – und auf dem Herd stehen gleich drei verschiedene Gerichte. Denn während die beste Freundin eine Fischallergie hat, ist der Nachbar laktoseintolerant, und der Schwager bekommt Bauchschmerzen, wenn er Weizenprodukte isst. Statt eines Kochbuchs müssten Gastgeber heute eigentlich ein Medizinfachbuch studieren, um allen Gästen gerecht zu werden.
„Etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden unter einer Nahrungsmittelunverträglichkeit“, sagt Dagmar Mainz vom Bundesverband niedergelassener Gastroenterologen. Allerdings weist nicht jedes Bauchgrimmen gleich auf eine Unverträglichkeit hin.
Wann aber liegt tatsächlich eine Intoleranz vor, und wogegen? Wer muss auf bestimmte Lebensmittel ganz verzichten, wer seinen Konsum nur einschränken? Und was unterscheidet eigentlich eine Unverträglichkeit von einer Allergie?
Laktoseintoleranz besonders häufig
Rund die Hälfte aller von einer Unverträglichkeit Betroffenen in Deutschland leiden unter der sogenannten Laktoseintoleranz, für die der Mangel an einem bestimmten Enzym verantwortlich ist. Laktase spaltet den Milchzucker, die Laktose, im Darm auf.
Das Enzym kann gar nicht oder in zu geringen Mengen vorhanden sein, sodass die einen schon bei kleinsten Mengen Bauchschmerzen bekommen, andere ein gewisses Maß an Milchprodukten vertragen. „Daher sind Empfehlungen, nur noch laktosefreie Kost zu sich zu nehmen, nicht zielführend“, sagt Christiane Schäfer, Diplom-Ökotrophologin in Hamburg. Wer betroffen ist, sollte ausprobieren, wie viel Laktose er verträgt, und sich dann danach richten.
Helfen können dabei Laktase-Tabletten und laktosefreie Produkte. Allerdings ist es „individuell und von Mal zu Mal verschieden, wie lange der Transport der Kapseln und der Nahrung zum Dünndarm dauert, sodass Nahrung und Laktase nicht immer optimal zusammenkommen“, warnt Gastroenterologin Dagmar Mainz.
Laktase-Kapseln können die Beschwerden deswegen oft nur zum Teil lindern. Dasselbe gilt für laktosefreie Produkte, die einen kleinen Rest Milchzucker enthalten. Manch einer kommt jedoch gut mit diesen Mitteln zurecht. Und dann spreche nichts dagegen.
„Auf Obst muss man nicht verzichten“
Wer Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall bekommt, wenn er viel Obst oder Säfte zu sich nimmt, leidet möglicherweise unter einer Fruchtzuckerunverträglichkeit, der sogenannten intestinalen Fruktoseintoleranz. Ausgelöst wird sie von zwei Problemen im Körper: Normalerweise entziehen Transportproteine dem Speisebrei im Dünndarm einen Teil des Fruchtzuckers, bevor er in den Dickdarm gelangt.
Bei 30 bis 40 Prozent der Mitteleuropäer funktioniert dies nicht richtig, weil die Transporter gestört sind oder zu große Mengen Fruktose sie überlasten. Dann gelangt zu viel Fruktose in den Dickdarm. Bei rund der Hälfte der Betroffenen kommt eine funktionelle Darmstörung hinzu, die dazu führt, dass die überschüssige Fruktose unangenehme Symptome wie Durchfall oder Blähungen hervorruft.
Deswegen gleich gar kein Obst mehr zu essen ist weder nötig noch gesund. Denn Früchte enthalten viele wichtige Nährstoffe: „Auf Obst muss man nicht verzichten“, sagt Jörg Kleine-Tebbe von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie in Aystetten. Nur große Mengen sollte man lieber nicht zu sich nehmen.
Sehr selten im Vergleich zur intestinalen Fruktoseintoleranz ist die hereditäre Fruktoseintoleranz, eine erbliche Störung des Fruktosestoffwechsels. Sie zeigt sich durch Erbrechen, Gerinnungsstörungen und Schockzustände nach dem Konsum von Fruchtzucker, oft schon im Säuglingsalter direkt nach Umstellung von der Muttermilch auf Beikost. Besonders im ersten Lebensjahr sollte das Kind dann weder Obst noch Gemüse bekommen. Denn Diätfehler könnten das Wachstum beeinträchtigen.
Gluten ist für manche Menschen gefährlich
Während sich manche Unverträglichkeiten sofort nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel zeigen, bleibt eine Glutenunverträglichkeit oft unentdeckt. Denn nur bei zehn bis 20 Prozent der Betroffenen äußert sich die sogenannte Zöliakie durch typische Symptome wie Bauchweh oder Gewichtsverlust. Die restlichen 80 Prozent leiden unter ganz anderen Beschwerden.
Bei manchen Patienten führen eine Osteoporose – eigentlich eine Alterserkrankungen, bei der die Knochendichte abnimmt – oder ein unerfüllter Kinderwunsch die Ärzte auf die richtige Spur. Zu solchen Folgeerscheinungen kommt es, weil die chronische Autoimmunerkrankung einen Mangel hervorruft. Die Glutenunverträglichkeit führt nämlich zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut.
Dadurch bilden sich die Dünndarmzotten zurück. Diese mikroskopisch kleinen Erhebungen bedecken die Dünndarmschleimhaut und sind vor allem für die Aufnahme von Nährstoffen zuständig. Zöliakie-Patienten nehmen deswegen zu wenig Nährstoffe auf.
Hier heißt die einzige Lösung Verzicht – auf alle Lebensmittel, die Gluten enthalten. Das heißt: kein Weizen, Dinkel, Roggen und keine Gerste mehr. Reis, Mais und Hirse sind hingegen glutenfrei, genauso wie Obst und Gemüse, Fleisch, Milch sowie Kartoffeln in unverarbeitetem Zustand. Vom Speiseplan streichen muss man Glutenhaltiges allerdings nur, wenn die Unverträglichkeit vom Arzt bestätigt ist. Umfragen zeigen nämlich, dass die Zahl derer, die glauben, Gluten nicht zu vertragen, deutlich höher ist als die Zahl der tatsächlich diagnostizierten Fälle.
Unverträglich ist nicht gleich allergisch
Lebensmittelallergien lassen sich dagegen leicht erkennen, und auch hier ist vollständiger Verzicht gefragt. Wenngleich umgangssprachlich oft gleichbedeutend verwendet, muss man nämlich unterscheiden zwischen einer Unverträglichkeit und einer Allergie.
Während es bei Intoleranzen oft auf die richtige Dosierung ankommt, müssen Allergiker penibel darauf achten, dass ihre Nahrung die entsprechenden Allergene nicht enthält. Denn eine Allergie ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems, in deren Folge vermehrt Antikörper gebildet werden.
So schwillt manch einem der Hals zu, wenn er etwa Nüsse, Äpfel, Birnen oder Kirschen isst. Dahinter steht in vielen Fällen eine Kreuzallergie, vor allem bei Pollenallergikern. „Das Immunsystem reagiert auf pollenähnliche Proteinstrukturen in Nahrungsmitteln“, erklärt Ökotrophologin Christiane Schäfer. „Diese führen beim Verzehr zur Ausschüttung von Botenstoffen, die entzündungsähnliche Schleimhautreaktionen auslösen.“ Vor allem wer auf Birkenpollen reagiert, hat häufig eine solche Kreuzallergie.
Bei dem einen oder anderen Lebensmittel können Betroffene dann versuchen, die Allergene durch Erhitzen, Zerkleinern oder Säuern zu zerstören. Apfel-Allergiker sollten es mit Apfelkuchen oder -kompott statt mit einem rohen Apfel probieren. Nüsse, Sellerie oder Erdnüsse hingegen sind hitzestabil. Da hilft nur die völlige Abstinenz.
Mit der Hygiene kann man es auch übertreiben
Viel seltener als Unverträglichkeiten oder solche Kreuzallergien sind Allergien gegen einzelne Lebensmittel selbst. Auf Erdnuss oder Fisch etwa reagieren nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung, erklärt die Gastroenterologin Dagmar Mainz.
Gegen Kuhmilch, Hühnerei und Soja sind vor allem Säuglinge und Kleinkinder allergisch. Dies lasse mit zunehmendem Alter nach, da das Immunsystem lernt, mit diesen Stoffen umzugehen, sagt der Allergologe Kleine-Tebbe. „Viele Menschen, die als Kind eine Nahrungsmittelallergie hatten, bekommen aber als Erwachsene Heuschnupfen.“
Insgesamt sieht er eine Zunahme von Allergien in der Bevölkerung. Woran das liegt, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Ein Grund könnte aber sein, dass wir es mit der Hygiene übertreiben. Denn je mehr das Immunsystem von klein auf mit Keimen in Berührung kommt, desto besser kann die Abwehr trainieren
Quelle:WeltN24 Online