Das sei gut für die Abwehr: Der Satz dürfte vielen bekannt sein. Doch kann man mit Sport, Ernährung und Abhärtung dem Immunsystem auf die Sprünge helfen? Mediziner entlarven Gesundheits-Irrtümer.
Es gibt Menschen, die im Winter nackt in einen See steigen und dadurch offensichtlich nicht krank werden. Man sagt, sie seien abgehärtet. Andere schwören auf regelmäßige Saunabesuche, um alles auszuschwitzen. Und die Werbung verspricht optimistisch, dass süße Molkegetränke die Abwehrkräfte aktivieren.
Der Wunsch scheint groß zu sein, den Körper mit allerlei Tricks und Helfern widerstandsfähiger zu machen. Aber lässt sich das, was wir Immunsystem nennen, überhaupt so leicht beeinflussen?
„Das Immunsystem besteht aus verschiedenen Zellen und löslichen Faktoren, die Krankheitserreger und Tumorzellen abwehren“, erklärt Hajo Haase vom Institut für Immunologie an der Uniklinik der RWTH Aachen.
Wenn Krankheitserreger die natürlichen Barrieren des Körpers wie Haut oder Schleimhäute überwinden, sorgen Immunzellen dafür, dass sie unschädlich gemacht werden und sich nicht vermehren.
„Immunzellen sind ein Abwehrmechanismus gegen alles Körperfremde“, erläutert Karsten Krüger vom Institut für Sportwissenschaft an der Universität Gießen. Und Prof. Stefan Meuer, Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Heidelberg, ergänzt: „Das Immunsystem ist wie die Polizei, die Streife laufen muss.“
Ein gutes Immunsystem sorge dafür, dass der Mensch nicht krank wird, sagt Haase. Außerdem greift es keine harmlosen Fremdkörper und körpereigenen Strukturen an – es reagiert sozusagen nicht über. „Wenn es gut gesteuert ist, bekämpft es nur echte Angreifer.“
Immunsystem ist sehr robust
Immunologe Meuer belächelt das allzu verbissene Ringen um gute Abwehrkräfte: „Die Leute sollten sich nicht so viele Sorgen um das Immunsystem machen, das ist sowas von robust.“ Und die Wissenschaft verstehe noch zu wenig davon, um ganz gezielt Einfluss zu nehmen.
Dass die Ernährung eine Wirkung auf die Abwehrkräfte hat, ist jedoch unstrittig. „Eindeutig ja, aber wir wissen noch nicht wie“, sagt Meuer. Im Darm jedes Menschen säßen Billionen von Bakterien, die die Nahrung verstoffwechseln. Die Zusammensetzung der Bakterien – das sogenannte Mikrobiom – sei aber von Mensch zu Mensch verschieden.
„Gezielte Veränderungen durch die Ernährung lassen sich erst erfassen, wenn man das Mikrobiom entschlüsselt hat.“ Das kann noch ein paar Jahre dauern. „Derzeit sind die meisten Geheimtipps zur Ernährung reine Spekulation.“
Hühnersuppe wirkt nur kurzfristig
Eine gesunde Ernährung ist dennoch wichtig für gute Abwehrkräfte – nur lässt sich durch einzelne Lebensmittel kein gezielter Einfluss nehmen. Beispiel Hühnersuppe: Der Körper bekommt Nährstoffe, Salz und etwas Warmes. „Man fühlt sich in dem Moment besser“, sagt Haase. „Aber Hühnersuppe wirkt sich eher kurzfristig auf den Allgemeinzustand aus – das Immunsystem wird davon nicht beeinflusst.“
Wie der restliche Körper auch müsse das Abwehrsystem bestimmte Nährstoffe bekommen, erläutert Haase. „Lassen Sie zum Beispiel Zink weg, dann sehen Sie ganz klar, welche Zellen fehlen und welche Abwehrmechanismen ausfallen.“
Auch Kupfer, Eisen oder Vitamine wie A, C, D und E seien wichtig – im Prinzip das, was zu einer ausgewogenen Ernährung gehört. „Sicher ist, dass normale Mischkost einen maximalen Effekt auf das Immunsystem hat“, sagt Krüger.
Abhärten hat keinen Einfluss
Und wie sieht es mit dem sogenannten Abhärten durch Saunieren, kalte Bäder oder Spaziergängen im Nieselregen aus? Die Mediziner winken ab: „Es gibt keine einzige wissenschaftliche Untersuchung, die belegt, dass das Abhärten einen Einfluss auf das Immunsystem hat“, stellt Meuer fest.
Ein positiver Effekt lässt sich trotzdem erzielen: „Wer regelmäßig in die Sauna geht oder Kaltwasserbäder nimmt, bekommt eine bessere Thermoregulation“, erklärt Krüger. Dadurch kühle der Körper im Sommer leichter ab und schone im Winter seine Wärmekapazitäten. „Dazu gehört aber mehr, als im Regen spazieren zu gehen. Der Effekt wird wissenschaftlich erst sichtbar, wenn man in die Extreme geht.“
Ebenfalls unstrittig ist der positive Einfluss von Sport auf die Abwehrkräfte: „Moderates Training – also Schwimmen, Radfahren oder Joggen – stärkt das Immunsystem unabhängig von Regen, Schnee oder Sonne“, sagt Sportmediziner Krüger.
Training stimuliert Immunsystem
„Wir gehen davon aus, dass wir mit jedem Training das Immunsystem ein bisschen reizen und dadurch stimulieren. Dann funktioniert es besser.“ Das lasse sich an einzelnen Immunzellen zeigen, aber auch an der Infektrate.
„In den Lymphknoten treffen die Immunzellen auf die Erreger“, erklärt Haase. Lymphflüssigkeit werde aber nur durch die Muskelbewegungen transportiert. „Inaktivität ist deshalb schlecht. Konstante 22 Grad und Sitzen sind vollkommen atypisch und nicht der Normalzustand, für den das Immunsystem entworfen wurde.“
Vor allem zwei Faktoren lassen sich also steuern, um den Körper fit gegen Krankheitserreger zu machen: ausgewogene Ernährung und körperliche Bewegung. Einen wichtigen Effekt auf die Immunabwehr hat auch die Psyche.
Bei dauerhaftem Stress schütte der Körper vermehrt Kortisol aus, was das Immunsystem unterdrückt, erläutert Meuer. „Psychisches Wohlbefinden ist deshalb sehr wichtig.“
Eine kurzfristige Verbesserung des Immunsystems lässt sich dagegen nicht mit Erkältungspillen aus der Apotheke erzielen. „Einige pflanzliche Wirkstoffe können sehr effektiv sein, aber es gibt keine einzelne Pflanze, die man über ein Mittelchen aufnimmt, und dann geht es dem Immunsystem besser und man wird seltener krank“, stellt Haase klar. „Aber der Placebo-Effekt ist unglaublich machtvoll.“
Quelle:Welt Online